No-Name auf Stellensuche

Name? Unbekannt. Mann oder Frau? Egal. Das Alter? Wird nicht angegeben. Personalchefs sollen künftig Bewerber aufgrund anonymer Schreiben aussuchen, sagt Familienministerin Schröder
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Familienministerin Schröder will Bewerber künftig nur anhand anonymer Schreiben auswählen. Unternehmen sollen dem Beispiel folgen.
dpa Familienministerin Schröder will Bewerber künftig nur anhand anonymer Schreiben auswählen. Unternehmen sollen dem Beispiel folgen.

MÜNCHEN - Name? Unbekannt. Mann oder Frau? Egal. Das Alter? Wird nicht angegeben. Personalchefs sollen künftig Bewerber aufgrund anonymer Schreiben aussuchen, sagt Familienministerin Schröder

Auf dem Deckblatt des Lebenslaufs ein Foto, dann der berufliche Werdegang, das Geburtsdatum, der Familienstand. Lückenlose Infos zur Person sind Standard in deutschen Bewerbungen – doch jetzt rüttelt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder an den festgefahrenen Regeln.

Was will die Ministerin? Schröder will für ihr Ministerium nur noch anonymisierte Bewerbungen. Das bedeutet: Die Personalverantwortlichen, die entscheiden, wer zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, erfahren weder den Namen des Bewerbers, noch sein Geschlecht, Alter, Behinderungen und bekommen kein Foto zu Gesicht. Der Sinn der Sache: Vorurteile sollen nicht dazu führen, dass etwa Bewerbungen von Frauen oder Ausländern von vorneherein aussortiert werden.

Gibt es Firmen, die das Gleiche machen? Ja, unter anderem die Berliner Gilette-Produktion von Procter und Gamble. Initiert hat das Projekt allerdings die Antidiskriminierungsstelle des Bundes. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gemischte Teams am kreativsten sind“, berichtet Oliver Sonntag, Personaldirektor für Europa bei L'Oréal. „Wir sind gespannt, ob wir durch die Teilnahme an dem Projekt auf Menschen treffen, die wir sonst vielleicht nicht kennen gelernt hätten.“

Wie machen es andere Länder? In den Vereinigten Staaten sind anonymisierte Bewerbungen längst üblich. Firmen schützen sich damit gegen Klagen von Bewerbern, die glauben, sie seien beispielsweise wegen ihrer Hautfarbe abgelehnt worden. Wenn der Personaler gar nicht weiß, dass er es mit einem Afroamerikaner zu tun hat, kann er ihn kaum diskriminieren – so die Argumentation. Auch eine Reihe französischer Unternehmen erwärmt sich für diese Sichtweise.

Was sagen die übrigen Firmenchefs? Ihre Skepsis ist groß: „Ich stelle ja nicht anonym ein, sondern nach dem Bewerbungsgespräch“, argumentiert beispielsweise Peter Brodmeier, Geschäftsführer der PR-Agentur Brodmeier/Wagner. „Und spätestens da kommen Wünsche, Vorlieben und Vorurteile wieder auf den Tisch. Wenn ich eine Frau beschäftigen will, werde ich alle Männer beim Bewerbungsgespräch doch automatisch als Zeitverschwendung betrachten, oder?“

Was raten Experten? Karl Hecken von der Personalberatung Convenion gibt Kristina Schröder indirekt recht, wenn er die gängige Einstellungspraxis beschreibt: „In vielen Firmen sitzt auf der unteren Ebene jemand mit einer Excel-Liste mit bestimmten Kriterien. Und wenn dann etwa ein Bewerber nur vier Jahre zu alt ist, landet er automatisch auf dem ’Out’-Stapel.“

Hecken selbst gibt nicht viel auf Bewerbungsfotos – „Ich sehe auch nicht immer vorteilhaft aus, je nachdem, wie man mich fotografiert!“ – und auf Einteilung nach Alter und Geschlecht sowieso nicht. Er macht älteren Stellensuchenden Mut: Die Scheu der Firmen gegenüber Menschen über 50 habe durch die Krisen der letzten Jahre nachgelassen. „Es sind wieder Qualität und Erfahrung gefragt.“

Bewerbern, die Angst haben, wegen Äußerlichkeiten durchs Raster zu fallen, rät er zum direkten Kontakt mit dem potenziellen künftigen Vorgesetzten: Der habe oft ganz andere Kriterien im Kopf, als es die offizielle Unternehmenspolitik vorschreibe – und könne gegenüber dem Management in vielen Fällen einen fähigen Kandidaten durchdrücken.

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