Niederlage nach sechs Stunden

Bayern bleibt vorerst bei den Studiengebühren. Seehofer muss sich der FDP beugen. Neuwahlen sind vom Tisch. Jetzt soll das Volksbegehren abgewartet werden. Die Opposition spottet
Angela Böhm |
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Muss sich bisher bei den Studiengebühren Bayerns FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beugen: Ministerpräsident Horst Seehofer.
dpa Muss sich bisher bei den Studiengebühren Bayerns FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger beugen: Ministerpräsident Horst Seehofer.

MÜNCHEN Für die angespannten Nerven gab’s Süßes zur Beruhigung: Mit Apfel-, Nuss- und Kirschkäsekuchen verhandelten CSU und FDP sechs Stunden über die heiß umkämpften Studiengebühren. Zum Koalitionsbruch kam’s nicht. Zu einem Kompromiss aber auch nicht. FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger blieb mit ihren Liberalen standhaft und ließ Ministerpräsident Horst Seehofer auflaufen. „Jetzt haben wir uns mal durchgesetzt“, sagt Leutheusser-Schnarrenberger zur AZ. In Bayern müssen die Studenten weiter zahlen – vorerst. Der Streit wurde vertagt.

Dabei hatte Seehofer vor dem Koalitionsgipfel noch via Facebook getönt: „Heute nachmittag wird in München nicht nur Bundesliga gespielt, sondern auch Champions League zu den Studiengebühren in Bayern. Daumen drücken!“

Genutzt hat’s nichts. Während der FC Bayern wieder siegte, musste Seehofer eine bittere Niederlage einstecken. Kleinlaut postete er danach: „Unser Koalitionspartner möchte die Studienbeiträge behalten. Ich hätte heute unseren Studentinnen und Studenten gerne eine andere Mitteilung gemacht. Darüber haben wir sicher nicht das letzte Mal verhandelt.“ In der Staatskanzlei erklärte er: „Der Dissens konnte nicht beseitigt werden. Er besteht fort.“

Das hat ihm auch die Lust aufs Tanzen verdorben. Zum Presseball nach Augsburg fuhr er nicht mehr.

Dabei soll’s bei dem Gipfel doch so „harmonisch“ gewesen sein, als habe die CSU nie mit Neuwahlen gedroht. Auch wenn Leutheusser-Schnarrenberger noch vor der Sitzung klagte, die CSU habe ihrer Partei die „Pistole auf die Brust“ gesetzt.

Im Ministerratssaal mit Blick auf den Englischen Garten waren alle wieder lieb. Seehofer machte gleich zu Beginn den Kotau: Er möchte diese Koalition fortsetzen. Auch über den Wahltag hinaus. Dabei arbeitet er voll auf die Alleinherrschaft hin. Das weiß auch die FDP.

„Freundschaftlich“ sei die Atmosphäre gewesen, säuselte er, nachdem er sich den Liberalen beugen musste. FDP-Fraktionschef Thomas Hacker spricht von „intensiven, aber kollegialen Gesprächen ohne Streit“. FDP-Wirtschaftsminister Martin Zeil resümiert: „Es hat nicht geknallt. Wir haben ganz ohne Eskalation den Dissens festgestellt.“

Schließlich war es die CSU, die die Studiengebühren vor vier Jahren im Koalitionsvertrag zementiert hat. Im Alleingang hatte sie die unter Edmund Stoiber eingeführt. Die FDP trotzte ihr damals noch soziale Ausnahmen ab und die Verwaltungsgebühren, die die Studenten auch noch zahlen mussten. Nun will Seehofer raus aus dem eigenen Koalitionsvertrag. Aus Angst vor den Bürgern. Die FDP aber pocht auf Vertragstreue. So wie Seehofer beim Betreuungsgeld.

Morgen, Dienstag, muss nun Innenminister Herrmann den Termin fürs Volksbegehren benennen. Im Januar müssen sich innerhalb von zwei Wochen zehn Prozent der Wahlbeteiligten eintragen. Das sind 940 000 Bürger. „Die kommen nie zusammen“, rechnet FDP-Fraktionschef Hacker. Dann wäre der Volksentscheid vom Tisch. Kommt er doch, will die Koalition im Januar neu verhandeln.

Am Sonntagnachmittag trafen sich die Koalitionäre nochmal, um den Haushalt festzuzurren. Vorsorglich bilden sie Rücklagen für die Personalkosten an den Unis. Damit niemand gekündigt werden muss, sollte das Volk doch die Studiengebühren abschaffen. „Eins zu eins können wir den Ausfall der 180 Millionen Euro aber nicht umsetzen“, sagt Wirtschaftsminister Zeil.

Nun schlägt die Stunde der Opposition. Am Mittwoch will sie Schwarz-Gelb im Landtag vorführen und über die Studiengebühren abstimmen lassen. CSU-Fraktionschef Georg Schmid muss seine Abgeordneten disziplinieren. Er schwor Koalitionstreue.

„In der Koalition geht es zu wie in einem Hühnerstall“, lästert Grünen-Fraktionschefin Margarete Bause. SDD-Fraktionschef Markus Rinderspacher spottet: „Selten waren Protest und Widerstand einer Partei gegen die eigene Politik so eindrucksvoll.“ Und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sagt: „Das ist ein weiterer Schritt für die CSU in die Opposition.“

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