Neuer Balkan-Plan soll Flüchtlingschaos entschärfen

In Brüssel haben sich Angela Merkel und Co. aud einen neuen 17-Punkte-Plan geeinigt, um das Flüchtlingschaos in den Griff zu kriegen - und das innerhalb weniger Tage. Ob das klappt?
von  az/dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und UN-Flüchtlings-Hochkommissar Antonio Guterres am Sonntag in Brüssel.
Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und UN-Flüchtlings-Hochkommissar Antonio Guterres am Sonntag in Brüssel. © dpa

Brüssel - Mehr Unterkünfte für Flüchtlinge und verstärkte Grenzkontrollen: EU-Staaten und Westbalkanländer wollen die Flüchtlingsströme auf der Balkanroute verlangsamen. "Wir werden Flüchtlinge oder Migranten entmutigen, zur Grenze eines anderes Landes der Region zu ziehen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Spitzenpolitikern aus betroffenen EU-Ländern und den drei Nicht-EU-Ländern Mazedonien, Serbien und Albanien. "Eine Politik des Durchwinkens von Flüchtlingen ohne die Nachbarstaaten zu informieren, ist nicht akzeptabel."

Bei dem Sondertreffen zur Westbalkanroute einigten sich die Staats- und Regierungschefs nach siebenstündigen Beratungen auf einen 17-Punkte-Plan. Doch die Stimmung war angespannt. Seit Wochen weisen sich die Länder der Region gegenseitig die Schuld zu - so auch in Brüssel. "Jeder ist versucht zu sagen, jemand anders ist Schuld", sagte ein Diplomat am Rande der Gespräche. "Das müssen wir stoppen."

Kroatiens Regierungschef Zoran Milanovic kritisierte Griechenland als Tor für Flüchtlinge in die Europäische Union: "Warum kontrolliert Griechenland nicht sein Seegebiet zur Türkei? Ich weiß es nicht."

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Mehr Grenzschützer nach Slowenien

 

Der Plan sieht unter anderem vor, dass andere EU-Staaten innerhalb einer Woche mehr als 400 zusätzliche Grenzschützer in das vom Flüchtlingsandrang überforderte Slowenien schicken. Außerdem soll die EU-Grenzschutzagentur Frontex die Grenzen besser absichern, etwa zwischen Griechenland, Mazedonien und Albanien sowie an der kroatisch-serbischen Grenze.

Griechenland soll - auch mit Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR - 50 000 neue Aufnahmeplätze für Flüchtlinge schaffen, davon bis Jahresende 30 000. Auf der ganzen Route sollen 100 000 Plätze entstehen. Die Staaten vereinbarten, Migranten entlang der Balkanroute Unterkünfte anzubieten, sie zu registrieren und sofort jeweils eine Kontaktperson auf allerhöchster Ebene benennen, um Informationen auszutauschen.

Täglich strömen Tausende über die Westbalkanroute in Richtung Österreich und Deutschland. Die meist aus dem Bürgerkriegsland Syrien stammenden Menschen kommen über die Türkei in die EU.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach von einem "wichtigen Treffen dahingehend, dass humanitäre Fragen einer Erklärung zugeführt werden konnten". Es gebe ein "koordinierteres Management", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Dazu haben sich jedenfalls alle verpflichtet." Merkel warnte allerdings, das Treffen sei nur "ein Baustein" für eine Lösung: "Nicht lösen können wir das Flüchtlingsproblem insgesamt. Da bedarf es unter anderem natürlich weiterer Gespräche mit der Türkei."

Serbiens Ministerpräsident Aleksandar Vucic äußerte am Abend wenig Hoffnung auf rasche Fortschritte. "Aber ich bin sicher, dass wir uns wenigstens gegenseitig verstanden haben", sagte er.

 

Merkel: "Wir sind alle humanitären Werten verpflichtet"

 

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker malte ein düsteres Bild der Lage auf der Balkanroute: "Es kann nicht sein, dass im Europa (des Jahres) 2015 Menschen sich selbst überlassen werden, dass sie auf dem Feld schlafen und bei eiskalten Temperaturen bis zur Brust durch Flüsse waten." Merkel sagte: "Wir sind alle humanitären, menschlichen Werten verpflichtet (...). Und die Bilder, die wir in den letzten Tagen gesehen haben, haben dem nicht entsprochen, was unsere Werte sind."

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban sieht sein Land, das sich mit Grenzzäunen zu Serbien und Kroatien abgeriegelt hat, nur noch als "Beobachter" der Flüchtlingskrise. "Ungarn liegt nicht mehr auf der Route", sagte er. Transitstaaten wie Bulgarien, Rumänien und Serbien drohen ebenfalls mit der Schließung der Grenzen.

Sloweniens Regierungschef Miro Cerar warnte vor dem Ende der EU, wenn Europa die Krise nicht in den Griff bekomme: "Europa steht auf dem Spiel, wenn wir nicht alles tun, was in unserer Macht steht, um gemeinsam eine Lösung zu finden." In den vergangenen zehn Tagen seien in seinem Land mehr als 60 000 Flüchtlinge angekommen. Umgerechnet auf ein großes Land wie Deutschland entspräche dies einer halben Million Ankömmlinge in Deutschland pro Tag.

UN-Flüchtlings-Hochkommissar Antonio Guterres forderte: "Das Ziel ist es, ein System zu schaffen (...), in dem jene, die Schutz in Europa brauchen, sich nicht in die Hände von Schmugglern geben müssen." Es müsse mehr legale Einwanderungsmöglichkeiten geben und eine Umverteilung von den europäischen Außengrenzen in alle anderen EU-Staaten.

Insgesamt waren in Brüssel die zehn EU-Länder Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Luxemburg und die Niederlande vertreten sowie die Nicht-EU-Länder Mazedonien, Serbien und Albanien.

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