Neuer Anlauf für ein NPD-Verbot?

In eindringlicher Form hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die demokratischen Parteien zum vereinten Kampf gegen den Rechtsextremismus aufgerufen.
von  dpa

Berlin - "Diese Taten sind nicht mehr und nicht weniger als ein Angriff auf unser demokratisches Gemeinwesen", sagte Merkel am Mittwoch im Bundestag mit Blick auf die Neonazi-Mordserie. Die in Schwarz gekleidete Regierungschefin las die Namen aller zehn erschossenen Opfer vor.

In Berlin kam das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) des Bundestages für die Geheimdienste zusammen. Bundespräsident Christian Wulff wollte am Abend Angehörige der Opfer treffen. Unterdessen rückt ein neuer Anlauf zum Verbot der rechtsextremen NPD näher.

"Wir sind entsetzt über das Maß an Hass und Fremdenfeindlichkeit, das hier zum Ausdruck kommt", sagte die CDU-Chefin in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Opfer der Mordserie eines Neonazi-Trios zwischen den Jahren 2000 und 2007 waren acht türkischstämmige und ein griechischer Kleinunternehmer sowie eine Polizistin.

Die Kanzlerin rief die demokratischen Parteien auf, Parteitaktik zurückzustellen. "Wir nehmen die Gefahren des Rechtsextremismus sehr ernst. Aber wir sollten uns allen den Vorwurf, auf irgendeinem Auge blind zu sein, ersparen. Das treibt nur einen Keil in die Gemeinsamkeit der Demokraten."

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will prüfen, ob ein Verbotsverfahren möglich ist, ohne alle V-Leute aus der NPD abziehen zu müssen. An der Existenz der V-Leute des Verfassungsschutzes war 2003 der erste Versuch gescheitert, ein Verbot durchzusetzen. "Wir werden prüfen, ob es einen gangbaren Mittelweg gibt", sagte Friedrich. Auch der frühere Innenminister Otto Schily (SPD) sprach sich für ein neues Verbotsverfahren aus.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel warf der Bundesregierung vor, durch eine weitere Schwächung der Gemeindefinanzen den Rechtsextremismus zu begünstigen. Wenn Städte und Gemeinden sich wegen der Finanznot aus ihren Aufgaben zurückzögen, würden Rechtsradikale in diese sozial entleerte Räume eindringen, sagte Gabriel im Bundestag. Als Beispiel nannte er ostdeutsche Kommunen, in denen die NPD anbiete, Jugendzentren und Kindergärten fortzuführen, die ansonsten geschlossen würden.

Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir forderte mehr Geld für Initiativen gegen Rechtsextremismus und für Aussteigerprojekte. Mit Blick auf die Bundestagsdebatte über die Serienmorde der Zwickauer Neonazi-Zelle sagte Özdemir, er habe ein Wort des Dankes vermisst an diejenigen, die vor Ort die "Drecksarbeit" übernommen hätten.

Die Erfurter Untersuchungskommission zu möglichen Pannen der Sicherheitsbehörden im Umgang mit dem Neonazi-Trio nahm am Mittwoch ihre Arbeit auf. Sie steht unter Leitung des ehemaligen Bundesrichters Gerhard Schäfer. Auch die konkreten Umstände des Verschwindens des ursprünglich aus Thüringen stammenden Neonazi-Trios Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos 1998 werden geprüft.

FDP-Innenexperte Hartfrid Wolff forderte wegen der Neonazi-Mordserie einen Untersuchungsausschuss im Bundestag gefordert. Insbesondere die sich erheblich widersprechenden Aussagen von Ermittlern zu dem Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn ließen Skepsis aufkommen, inwieweit die von Chefs der Sicherheitsbehörden verbreiteten Informationen zuträfen.

Wolff bezog sich dabei auf Äußerungen von BKA-Chef Jörg Ziercke im Bundestags-Innenausschuss vom Montag. Dieser hatte eine gezielte Tötung der Polizistin durch die rechtsextreme Zwickauer Zelle nicht mehr ausgeschlossen und von einer möglichen Beziehungstat gesprochen. Dem hatten unter anderem Familienmitglieder Kiesewetters und Baden-Württembergs Innenminister Reinhold Gall (SPD) widersprochen.

Der ehemalige Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Helmut Roewer, kritisierte den Polizeieinsatz beim Ausheben der Terror-Bombenwerkstatt 1998 in Jena. Damals waren die mutmaßlichen Rechtsterroristen von der Thüringer Polizei nicht festgenommen worden und konnten untertauchen. "Wir dachten als Verfassungsschutz: Wir haben doch alles getan, und dann werden die nicht festgenommen. Wir waren einen Moment lang fassungslos", sagte Roewer "Tagesspiegel online". Der Verfassungsschutz habe keine Befugnis zur Festnahme - und solle sie auch nicht bekommen. "Das wäre dann eine Geheimpolizei", warnte Roewer.

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