Neue Unruhe vor Entscheidungen über ESM und Fiskalpakt

Die geplante Verabschiedung des Europäischen Fiskalpakts und des dauerhaften Euro-Rettungsschirms in Bundestag und -rat sorgt für Unruhe.
von  dpa

Die geplante Verabschiedung des Europäischen Fiskalpakts und des dauerhaften Euro-Rettungsschirms in Bundestag und -rat sorgt für Unruhe.

Berlin - Unmittelbar vor der geplanten Verabschiedung des europäischen Fiskalpakts und des dauerhaften Euro-Rettungsschirms ESM in Bundestag und Bundesrat kommt neue Unruhe auf.

Angesichts der Beschlüsse des EU-Gipfels in der Nacht wurde der Haushaltsausschuss des Bundestags für den frühen Freitagnachmittag kurzfristig zu einer Sondersitzung einberufen. Für Irritationen sorgte vor allem die Entscheidung, dass marode Banken künftig direkt und ohne staatliche Vermittlung Unterstützung aus den Rettungsschirmen erhalten sollen.

Die Regierung müsse ihre Wende um 180 Grad erklären, forderte der SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Mit den Beschlüssen zum ESM "sind alle Auflagen an ein Land nur noch Papiertiger", kritisierte Schneider mit Blick auf direkte Hilfsmöglichkeiten für Banken.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte im Sender n-tv: "Es wird künftig die Möglichkeit der direkten Finanzierung aus dem Euro- Rettungsfonds für Banken geben. Und wenn man die geltende europäische Rechtslage einhält, dann darf man künftig auch als Staat Geld aus dem Rettungstopf bekommen. Das sind alles beides Positionen, die Frau Merkel immer abgelehnt hat und die sie nun zugestehen musste."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) rechtfertigte die Beschlüsse am Freitag bei der Ankunft zur zweiten Gipfelrunde. "Wir sind unserer Philosophie, keine Leistung ohne Gegenleistung, treugeblieben", sagte sie in Brüssel. "Insofern bleiben wir also vollkommen in unserem bisherigen Schema: Leistung, Gegenleistung, Konditionalität und Kontrolle." Unter anderem hob Merkel den Plan zur Schaffung einer "Superaufsichtsbehörde" für die europäischen Banken hervor.

Aus der Union kam aber auch Kritik. "Das Problematischste der Beschlüsse heute ist doch, dass wir endgültig und unkündbar Artikel 125 des EU-Vertrages, die sogenannte No-Bailout-Klausel, die Eigenverantwortlichkeit der Euro-Staaten für ihre eigene Finanzpolitik sicherstellen soll, aufgeben", sagte der Innenpolitiker und Kritiker des Rettungskurses, Wolfgang Bosbach (CDU) im Deutschlandfunk.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe verteidigte dagegen Merkels Linie bei den Verhandlungen. "Da, wo es jetzt Hilfe gibt, bleibt es auch bei den Banken bei unseren Grundsätzen - nämlich, dass die Haftung der Kontrolle folgt", sagte Gröhe im ZDF-"Morgenmagazin". Nach den Entscheidungen aus Brüssel seien Bankenhilfen erst möglich, wenn es eine Bankenaufsicht gibt.

Die Koalitionsfraktionen hielten sich mit Bewertungen der Beschlüsse zunächst zurück. Am Nachmittag sollten sie über die Gipfelergebnisse informiert werden. Merkel wollte danach im Bundestagsplenum eine Regierungserklärung abgeben.

In einer Nachtsitzung hatten sich die Staats- und Regierungschefs der 17 Euroländer auf Hilfen für die angeschlagenen Partner Spanien und Italien geeinigt. Länder mit guter Haushaltsführung können vom Sommer an - ohne zusätzliche Sparprogramme - Unterstützung aus den Schirmen EFSF und ESM erhalten. Zudem hatten sich die Euroländer auf die Schaffung einer unabhängigen gemeinsamen Bankenaufsicht unter Einbeziehung der Europäischen Zentralbank (EZB) geeinigt.

Der Bundestag soll am Freitagabend über zwei Gesetze zur Umsetzung von ESM und Fiskalpakt entscheiden. Direkt im Anschluss soll dann der Bundesrat abstimmen. Die angepeilte Zweidrittelmehrheit galt in beiden Häusern als sicher. Die endgültige Umsetzung von Fiskalpakt und ESM wird sich aber trotzdem verzögern. Wegen angekündigter Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht will Bundespräsident Joachim Gauck die Gesetze nicht unterzeichnen, bevor die Richter über die einstweiligen Anordnungen entschieden haben.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.