Neue Regierung? Das wird richtig zäh
Mühsame Regierungsbildung: Die SPD hält Verhandlungen bis Januar für möglich. Jetzt gibt es immerhin einen ersten konkreten Termin. Gauck nimmt Parteichefs ins Gebet
BERLIN Gut eine Woche nach der Wahl laufen die Versuche einer Regierungsbildung langsam an: Union und SPD haben nun konkret Zeit und Ort für ein erstes Sondierungsgespräch vereinbart – auch wenn beide eher die Unterschiede als die Gemeinsamkeiten betonen. Und Bundespräsident Joachim Gauck hat die Parteichefs aller Bundestagsparteien zu Vier-Augen-Gesprächen einbestellt.
Jetzt gibt es also tatsächlich einen Termin: Freitag, 13 Uhr, in den Räumen der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. Die SPD hat folgende sechs Unterhändler benannt: Parteichef Sigmar Gabriel, Ex-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, Hamburgs Regierungschef Olaf Scholz und Generalsekretärin Andrea Nahles.
Die andere Seite schickt gleich vierzehn Verhandlungsführer. Für die CDU kommen Parteichefin Bundeskanzlerin Angela Merkel, Generalsekretär Herrmann Gröhe, Fraktionschef Volker Kauder, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Kanzleramtschef Ronald Pofalla sowie die Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Stanislaw Tillich. Die CSU entsendet Parteichef Horst Seehofer, Generalsekretär Alexander Dobrindt und Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt, außerdem Hans-Peter Friedrich, Peter Ramsauer, Ilse Aigner und Barbara Stamm.
In dieser ersten Runde wird abgeklopft, ob es überhaupt einen grundsätzlichen Willen zur Einigung gibt. Es werden mögliche Kompromisse ausgelotet, aber auch, an welchen Dingen nicht zu rütteln ist. Diese Runde wird dann auch entscheiden, ob es noch weitere Treffen geben wird.
Sollte das der Fall sein und sind die Sondierungsgespräche erfolgreich, ist wieder die SPD am Zug: Dann muss ihr Konvent entscheiden, ob es echte Koalitionsverhandlungen gibt. Darin geht es dann um konkrete Projekte und Personen. Aber auch die können natürlich noch scheitern. Sind sie erfolgreich, findet dann das SPD-Mitgliedervotum statt, ob die Partei mit der Union koalieren darf.
Das kann sich ziehen. SPD-Generalsekretärin Nahles: „Im Zweifel wird das alles länger dauern und wir landen mit einer Regierungsbildung im Dezember oder Januar.“ Die SPD verspüre überhaupt keinen Zeitdruck. „Wir machen uns da die Hose nicht eng.“ Zwar lasse sich der Parteitag (14. bis 16. November) nicht mehr verschieben, aber notfalls mache man halt später noch einen. Rechtlich ist eine so lange Regierungsbildung denkbar – die bisher längste dauerte 73 Tage. Der Bundespräsident bittet nach 30 Tagen die alte Regierung, geschäftsführend im Amt zu bleiben.
"Wir lassen uns nicht gegen die SPD ausspielen"
Komplizierter wird die Lage dadurch, dass es zwei potenzielle Partner für die Union gibt. Teile der Partei wollten erst dann mit den Grünen reden, wenn die Gespräche mit der SPD gescheitert sind. Gestern im Vorstand setzten sich aber diejenigen durch, die parallel mit beiden sprechen wollen. General Gröhe kündigte Sondierungsgespräche kommende Woche an. Die Grünen zeigten sich dazu bereit. Parteichef Özdemir sagte aber auch: „Wir lassen uns gegen die SPD nicht ausspielen.“
Auch der Bundespräsident greift in die Regierungsbildung ein, mit Einzelgesprächen mit allen Parteichefs – ein ungewöhnlicher Schritt. Gestern fand bereits das erste statt – mit CDU-Chefin Bundeskanzlerin Angela Merkel. Gauck wolle sich informieren, was die Parteien vorhaben, sagte seine Sprecherin Ferdos Forudastan – schließlich sei er am Zuge, wenn es Neuwahlen geben sollte: Nur der Bundespräsident kann das Parlament auflösen.
Eine große Rolle spielt nun die Steuerfrage. Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Böhmer nannte Festlegungen „unklug“. Beide Seiten versuchen nun, sich nicht zu billig zu verkaufen: Also stellen sie nun Positionen auf, die sie sich später abverhandeln lassen. Gleichzeitig dürfen sie nicht zu hoch pokern. Auf beiden Seiten gibt es aber auch Kräfte, die eine große Koalition tatsächlich nicht wollen. Nicht immer wirkten die Signale abgestimmt. Das Bemühen einiger SPDler, jetzt schon eine Zahl von Ministerien für die Partei oder gleich für sich selbst (wie Gewerkschafter Klaus Wiesehügel) einzufordern, nannten andere SPDler „dumm“.
Saar-SPD-Chef Heiko Maas warnte seine Partei schon davor, eine Regierungsbildung scheitern zu lassen. „Ein Nein der Basis zu einem fertigen Vertrag wäre Harakiri. Dann bräuchten wir bei Neuwahlen gar keinen Kanzlerkandidaten mehr aufstellen.“