Nervenkrieg um Beobachter in Ukraine
Slawjansk/Berlin - "Diese Menschen sind Berufssoldaten - im Unterschied zu einem OSZE-Team, mit dem ich mich vor kurzem normal unterhalten habe", sagte der Separatistenführer von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, in einem am Samstag vom russischen Staatsfernsehen ausgestrahlten Interview. Der Verdacht liege nahe, dass die Gruppe "Sabotageakte" im Auftrag der Regierung in Kiew vorbereiten wolle.
Die Beobachter wurden am Freitag in Slawjansk von Separatisten festgesetzt, wie die Regierung in Kiew und moskautreue Aktivisten übereinstimmend berichtet hatten. Darunter sind offensichtlich vier Deutsche: Drei Bundeswehrangehörige und ein Dolmetscher.
Separatistenführer Denis Puschilin sagte, es bestehe der "Verdacht, dass in der Gruppe Nato-Spione" seien. "Ich versichere aber, dass wir die Männer gut behandeln", sagte er der Agentur Unian zufolge. Die Aktivisten wollten die ukrainischen Mitglieder der Gruppe möglicherweise gegen festgenommene Gesinnungsgenossen austauschen.
Der russische OSZE-Botschafter Andrej Kelin kritisierte den Schritt der Aktivisten. Die Festsetzung trage nicht zur Deeskalation bei. "Wir sind der Meinung, dass diese Menschen so bald wie möglich freikommen müssen", sagte Kelin der Agentur Itar-Tass zufolge. Als OSZE-Mitglied werde Russland "alle nötigen Schritte einleiten".
Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte Russland zuvor in einem Gespräch mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow aufgefordert, sich für die Freilassung der Beobachter einzusetzen. Der Minister habe in dem Telefonat am späten Freitagnachmittag seine Sorge über den Fall geäußert, hieß es aus seinem Umfeld. Am späten Abend habe sich das Auswärtige Amt noch einmal an die russische Botschaft in Berlin gewandt. Zudem wurde ein Krisenstab im Auswärtigen Amt eingesetzt.
Die G7-Staaten einigten sich unterdessen darauf, "zügig" neue Sanktionen gegen Moskau zu verhängen. Das erklärte die Gruppe in einer Mitteilung. Aus dem Weißen Haus wurde bekannt, dass die Maßnahmen schon am Montag verhängt werden könnten. Zur Begründung hieß es, Russland habe keine konkreten Handlungen unternommen, um die Genfer Einigung auf einen Friedensplan in der Ukraine umzusetzen. Moskau habe stattdessen "mit einer zunehmend besorgniserregenden Rhetorik und anhaltenden bedrohlichen militärischen Manövern" die Spannungen eskalieren lassen. Den G7 gehören Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien und die USA an.
Die Bundeswehr hatte weiter keinen Kontakt zu den festgesetzten Beobachtern. Es werde aber immer wieder versucht, ihre Handys zu erreichen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Es sei unbekannt, wie viele Menschen festgehalten würden. Die Gruppe habe ursprünglich 13 Menschen umfasst: vier Deutsche - darunter drei Bundeswehrangehörige und ein Dolmetscher -, vier Militärbeobachter anderer Nationen - nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) aus Tschechien, Dänemark, Polen und Schweden - sowie fünf ukrainische Militärs.
Der Vizechef des OSZE-Krisenpräventionszentrums, Claus Neukirch, betonte im ORF, die Festgehaltenen seien nicht Mitglieder der eigentlichen, diplomatischen OSZE-Beobachtermission. Es handele sich vielmehr um eine bilaterale Mission unter Leitung der Bundeswehr auf Einladung der ukrainischen Regierung. Daher würden Verhandlungen über eine Freilassung durch die Bundesrepublik geführt.
Ukrainische Regierungseinheiten zerstörten unterdessen bei ihrer "Anti-Terror-Operation" vor Slawjansk eigenen Angaben zufolge vier Straßensperren der Separatisten. Die Stadt im krisengeschüttelten Osten der Ex-Sowjetrepublik ist von Sicherheitskräften eingekreist.
Russische Kampfjets drangen nach Pentagonangaben zuletzt mehrfach in den ukrainischen Luftraum ein. Die Flugbewegungen seien in den vergangenen 24 Stunden nahe der russischen Grenze verzeichnet worden, hieß es aus dem US-Verteidigungsministerium in Washington. Die Gründe für die Überflüge seien unklar. US-Medien spekulierten, ob es eine Machtdemonstration Moskaus war oder ein Test des ukrainischen Radars.