Nazi-Morde: Ein Agent als Mittäter?
Als ein Türke (21) erschossen wurde, soll ein Verfassungsschützer am Tatort gewesen sein. Der Verfassungsschutz rückt bei den Ermittlungen zum rechten Terror immer mehr ins Zwielicht.
KASSEL - Finanzielle Unterstützung von Rechtsextremisten, zahlreiche V-Männer in der NPD und jetzt womöglich Mitwisser- oder Mittäterschaft bei einem Mord: Der Verfassungsschutz rückt bei den Ermittlungen zum rechten Terror immer mehr ins Zwielicht.
Nach bisher unbestätigten Berichten befand sich ein hauptamtlicher Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes am letzten Tatort der „Döner-Mordserie“, einem Kasseler Internet-Café – und zwar nicht kurz vor der Tat, sondern als der Täter dem Besitzer Halit Yozgat (21) eine Kugel in den Kopf jagte. Fünf Jahre lang lautete die offizielle Version: Der Außendienstmitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz war privat in dem Internet-Café – „um seine seltsamen sexuellen Neigungen anonym im Internet auszuleben“, wie es die Kripo später beschreibt.
Als letzter von vier Besuchern soll er das Café kurz vor dem Mord verlassen haben. Nach Informationen der „FAZ“ stellt sich der Verlauf des Tattags nun anders dar: Zum Zeitpunkt des tödlichen Schusses war der Agent noch im Café. Nach dem Mord soll er sogar noch Geld auf die Theke gelegt haben, um die Computer-Nutzung zu bezahlen. Hinzu kommt: Laut „Bild“ war der Verfassungsschützer bei sechs der neun Morde in der Nähe der Tatorte.
Der hessische Verfassungsschutz wollte die Berichte nicht kommentieren. Auch Thomas Oppermann (SPD), Vorsitzender des Bundestags-Gremiums, das die Geheimdienste kontrollieren soll, verweist auf die offizielle Version. Er sagt aber auch: Wenn der Verfassungsschützer wirklich zum Zeitpunkt des Mordes am Tatort war, sei dies ein Skandal, der die Fundamente des Staats erschüttert.
Der Agent war damals festgenommen, als Beschuldigter verhört und vom Dienst suspendiert worden. Bald ließ man ihn wieder laufen, weil er mindestens für einen Mord ein wasserdichtes Alibi hatte. Beim Verfassungsschutz war er nach AZ-Informationen bis 2006 für Ausländerextremismus zuständig. Zurzeit arbeitet er bei einer Bezirksregierung in Hessen. „Dieser Mann hat offenkundig eine starke rechte Gesinnung“, sagt Oppermann.