Arbeitsverbot für Nawalny-Organisationen in Russland

Vor der russischen Parlamentswahl im Herbst wird die Arbeit der Opposition per Gerichtsbeschluss lahmgelegt. Die Staatsanwaltschaft wirft den Organisationen von Kremlgegner Nawalny Extremismus vor.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
11  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Bei einer Demonstration gegen die Inhaftierung des russischen Oppositionsführers wird ein Schild mit der Aufschrift "Free Nawalny" hochgehalten.
Bei einer Demonstration gegen die Inhaftierung des russischen Oppositionsführers wird ein Schild mit der Aufschrift "Free Nawalny" hochgehalten. © Oded Balilty/AP/dpa
Moskau

Die Organisationen des im Straflager inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny dürfen nach Angaben seines Teams und seiner Anwälte nicht mehr arbeiten.

Ein Gericht in Moskau habe das Arbeitsverbot verfügt, teilte der Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, mit. Das Verbot gelte, bis über einen Antrag der Moskauer Staatsanwaltschaft entschieden werde, die Organisationen als extremistisch einzustufen.

Die Bundesregierung verurteilte das Arbeitsverbot. "Mit Mitteln der Terrorbekämpfung gegen politisch unliebsame Meinungen vorzugehen, das ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien in keiner Weise vereinbar", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Er bekräftigte die Forderung nach einer Freilassung des Oppositionellen, der auch adäquate medizinische Betreuung und Zugang zu Ärzten seines Vertrauens bekommen müsse.

Die russische Opposition wirft dem Kreml vor, die Justiz für die Zerstörung all dessen zu instrumentalisieren, was Nawalny und seine gegen Korruption gerichtete Bewegung in Jahren aufgebaut haben. Die Moskauer Staatsanwaltschaft will die Organisationen, darunter seine Anti-Korruptions-Stiftung und seine Regionalstäbe, als extremistisch einstufen und damit dauerhaft verbieten lassen.

Die Bewegung, so die Ankläger, "destabilisiert die gesellschaftlich-politische Lage im Land". Sie rufe auf zur "extremistischen Tätigkeit, zu Massenunruhen - auch mit Versuchen, Minderjährige in gesetzeswidrige Handlungen zu verwickeln". Beschuldigt werden die Organisationen, sie handelten "im Auftrag verschiedener ausländischer Zentren, die destruktive Handlungen gegen Russland ausführen". Das angebliche Ziel: eine Revolution, um den Machtapparat des Kremlchefs Wladimir Putin zu stürzen.

Nawalnys enger Vertrauter Leonid Wolkow sagte am Wochenende in einem Interview des Internetportals Znak.com, die Behörden würden die Konten einfrieren, die Räumlichkeiten versiegeln "und unsere Offline-Arbeit in Russland insgesamt unmöglich machen". Womöglich sei eine Pause nötig, sagte Wolkow, um zu sehen, wie die Oppositionsarbeit künftig noch aussehen könne. Es werde "fieberhaft" an der Umorganisation gearbeitet.

Aus dem Ausland können zudem führende Köpfe der Bewegung wie Wolkow, Schadnow und Maria Pewtschich (Pevchikh) weiter arbeiten und die populären Videos mit Enthüllungen von Korruption im russischen Machtapparat im Internet veröffentlichen. Von dort gibt es auch weiter Aufrufe an die russische Bevölkerung nicht nur zu Protesten. Vor allem sind die Bürger aufgerufen, bei der Duma-Wahl im Herbst für einen beliebigen Kandidaten zu stimmen - nur nicht für jenen der Kremlpartei. Das "schlaue Abstimmen" soll das Machtmonopol brechen.

"Wir sind die letzte Verteidigungslinie gegen Putin", sagte er mit Blick auf das Vorgehen des Machtapparats unter Präsident Wladimir Putin gegen Andersdenkende. "Wenn mit diesem Extremismus alles nach dem schlechtesten Szenario läuft, dann wird es ziemlich schwer sein, das Netz der Stäbe zu erhalten." Zuvor hatte er in einer Mitteilung erklärt, es bestehe die Gefahr, dass alle Gegner Putins zu Extremisten erklärt würden.

Ungeachtet dessen solle der Kampf um die Freilassung Nawalnys weitergehen. Wolkow bezeichnete es als Erfolg des politischen Drucks, dass Nawalny nun in Haft von zivilen Ärzten untersucht worden sei. Zudem hätten Ärzte seines Vertrauens Zugang zu den medizinischen Untersuchungsergebnissen erhalten. Damit habe sich der Kreml auf eine "seltsame Form eines öffentlichen Kompromisses" eingelassen. "Ich denke, das ist ein gutes Ergebnis."

Nawalny hatte danach angekündigt, seinen drei Wochen dauernden Hungerstreik zu beenden. Begonnen hatte er ihn, um eine Behandlung von unabhängigen Spezialisten wegen eines Rückleidens und Lähmungserscheinungen in den Gliedmaßen zu erreichen. Die Forderung bestehe aber weiter, hieß es. Nach Darstellung Wolkows ist Nawalny nach letzten Erkenntnissen auf einer Krankenstation im Straflager IK-3 in Wladimir unweit von Moskau untergebracht. Nawalny hat sich für die internationale Solidarität bedankt.

© dpa-infocom, dpa:210426-99-355537/4

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
11 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
  • Bongo am 29.04.2021 08:12 Uhr / Bewertung:

    Schlau genug, nach Rußland zurückzukehren, nachdem was geschehen war und ihm in Berlin das Leben gerettet wurde? Das bezweifle ich! Ist aber auch absolut seine Sache, wenn er damit meint, das Richtige zu tun. Aber aus den Folgen daraus einen Konflikt zu machen, in den andere Länder hineingezogen werden, sich einmischen und mit Rußland anlegen sollten, notfalls mit Sanktionen etc., geht meiner Meinung nach nicht!

  • Jennerwein am 27.04.2021 18:04 Uhr / Bewertung:

    Es nervt, seit Monaten nur Nawalny. Da wird Julian Assange zu unrecht über Jahre festgehalten und inhaftiert in einem demokratischen Staat und selten Medieninteresse. Ists weil diese Demokratien doch nicht ganz so sauber sind wie sie tun?

  • Der wahre tscharlie am 26.04.2021 17:26 Uhr / Bewertung:

    Es ist doch in allen autokratischen Staaten dasselbe. Wird eine Opposition/Gruppierung zu gefährlich für den Staatsapparat und könnte den Machterhalt gefährden, wird sie verboten. Siehe Türkei, Ungarn, Polen......

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.