Nawalny-Beerdigung: Riesige Warteschlange vor der Kirche und Proteste gegen Putin

Die Mutter von Kremlkritiker Nawalny nimmt am Sarg Abschied und seine Witwe veröffentlicht eine traurige Liebesbotschaft. Vor der Kirche bildet sich eine Schlange. Am Rande kommt es zum Protest gegen Putin.
von  AZ mit dpa-Material
Anatoli Nawalny (l-r) und Ljudmila Nawalnaja, die Eltern des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, nehmen am offenen Sarg Abschied von ihrem Sohn.
Anatoli Nawalny (l-r) und Ljudmila Nawalnaja, die Eltern des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny, nehmen am offenen Sarg Abschied von ihrem Sohn. © dpa/AP

Moskau - Bei einer Trauerfeier in Moskau haben Angehörige des im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny am offenen Sarg in der Kirche Abschied genommen. Nawalnys Team zeigte in einem Live-Stream auf Youtube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Gefahr, verhaftet zu werden: Nawalny-Ehefrau muss Trauerfeier in Moskau fernbleiben

Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie für ihre eigene Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme riskieren in Russland. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.

Der Sarg des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny wird zur Kirche getragen.
Der Sarg des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny wird zur Kirche getragen. © AP/dpa

Zum Abschied von ihrem Mann veröffentlicht sie aber per Videoclip eine Liebesbotschaft mit markanten Szenen aus ihrem gemeinsamen Leben. Sie werde Alexej immer lieben, schrieb die 47-Jährige bei Instagram. In dem Clip waren viele Szenen ihres gemeinsamen Lebens zum Song "Chotschesch" (zu Deutsch: Willste) der russischen Sängerin Zemfira zu sehen. 

Anzeige für den Anbieter Instagram über den Consent-Anbieter verweigert

In dem Post schrieb Nawalnaja:  "Ljoscha, ich danke dir für 26 Jahre absolutes Glück. Ja, sogar für die letzten drei Jahre des Glücks. Für die Liebe, dafür, dass du mich immer unterstützt hast, dass du mich sogar im Gefängnis zum Lachen gebracht hast, dass du immer an mich gedacht hast." Ljoscha ist die Koseform des Namens Alexej.

Nawalnaja schrieb weiter: "Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll, aber ich werde mein Bestes geben, damit du dich da oben für mich freust und stolz auf mich bist. Ich weiß nicht, ob ich es schaffe oder nicht, aber ich werde es versuchen. (...) Ich werde dich immer lieben. Ruhe in Frieden."

Protestrufe gegen Putin

Vor der Kirche hatte sich eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. Viele Menschen klatschten und riefen Nawalnys Namen.

Auch kam es zum Protest gegen Putin. "Russland ohne Putin!", "Putin ist ein Mörder!", "Russland wird frei sein!" und "Nein zum Krieg!" skandierten Menschen im Chor, wie Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichteten. Sie sprachen angesichts des Großaufgebots an Uniformierten der Sonderpolizei Omon von einer angespannten Atmosphäre.

Menschen versammeln sich an der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone "Lindere meine Trauer" im südöstlichen Bezirk Marjino. Bei der Verabschiedung des im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny haben Menschen offen gegen Präsident Wladimir Putin protestiert. "Russland ohne Putin!", "Putin ist ein Mörder!", "Russland wird frei sein!" und "Nein zum Krieg!" skandierten Menschen im Chor.
Menschen versammeln sich an der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone "Lindere meine Trauer" im südöstlichen Bezirk Marjino. Bei der Verabschiedung des im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny haben Menschen offen gegen Präsident Wladimir Putin protestiert. "Russland ohne Putin!", "Putin ist ein Mörder!", "Russland wird frei sein!" und "Nein zum Krieg!" skandierten Menschen im Chor. © dpa/AP

Der Sarg wurde nach der Trauerfeier wieder aus der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone "Lindere meine Trauer" im südöstlichen Bezirk Marjino getragen. Er wurde dann zur Beerdigung auf dem Borissowskoje-Friedhof transportiert. Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde. Die Angehörigen hatten den Körper des 47-Jährigen am Morgen in der Leichenhalle in Moskau mit Verzögerung für die Beerdigung erhalten.

Nawalny setzt den Machtapparat auch nach seinem Tod in höchste Nervosität. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des Oppositionsführers gegen den Kremlchef protestieren könnten. Kremlsprecher Dmitri Peskow warnte, dass jeder Bürger die Verantwortung trage für eine Teilnahme an nicht erlaubten Aktionen auf der Straße. Zugleich antwortete er auf die Frage eines russischen Journalisten, ob der Kreml etwas zum Tod Nawalnys zu sagen habe: "Nein, nichts."

Todesumstände sind ungeklärt

Putin will sich in zwei Wochen bei einer Wahl als Präsident im Amt bestätigen lassen. Unterstützer und Angehörige Nawalnys sowie Menschenrechtler werfen Putin vor, er habe den russischen Oppositionsführer in Haft ermorden lassen. Der Kreml weist das zurück.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen "Polarwolf" in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von "natürlichen" Ursachen die Rede.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.