Napolitano empfängt Renzi: Tag der Entscheidung in Rom?
Nach mehrtägigen Konsultationen mit Vertretern der Parteien über eine neue Regierung ist Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano nun am Zug. Er empfängt am Vormittag den Chef der Demokratischen Partei (PD), Matteo Renzi, in seinem Quirinale-Palast.
Rom - Der 39-Jährige gilt nach dem Rücktritt seines Parteifreunds Enrico Letta am Freitag als Favorit für das Amt des Ministerpräsidenten. Es wird daher erwartet, dass Napolitano ihm den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilt.
Am Sonntag traf der Staatspräsident überraschend noch keine Entscheidung. Zuvor hatte er sich am Freitag und Samstag mit Vertretern aller wichtigen Parteien getroffen, um über die Regierungsbildung zu reden. Die Oppositionsparteien Lega Nord und die 5-Sterne-Bewegung (M5S) hatten die Gespräche aus Protest gegen das außerparlamentarische Ende der Regierung boykottiert.
Politaufsteiger Renzi, der bisher Bürgermeister von Florenz war, kann voraussichtlich mit der selben Koalition regieren wie Letta, den er in einem innerparteilichen Machtkampf zum Rücktritt bewegt hatte. Nach seinem Treffen mit Napolitano am Montag dürfte er mit der formalen Suche nach einer Mehrheit im Parlament beginnen, noch in dieser Woche sein neues Kabinett präsentieren und sich danach den Vertrauensabstimmungen in den beiden Parlamentskammern stellen. Er wäre der jüngste Ministerpräsident in der Geschichte Italiens.
Renzi bastelte Medienberichten zufolge schon an seinem neuen Kabinett, traf sich am Wochenende mit einigen Kandidaten. Spekuliert wird unter anderem über eine Beteiligung von Ferrari-Chef Luca di Montezemolo. Dabei sollen sich den Berichten zufolge für Renzi erste Schwierigkeiten auf dem Weg zur Macht aufgetan haben - so verliefen die Gespräche nicht alle nach seinen Wünschen, wie es heißt.
Der potenzielle Koalitionspartner, die Mitte-Rechts-Partei Ncd, will die neue Regierung mit Renzi nicht ohne vorherige Verhandlungen über Inhalte eingehen. "Man kann nicht in 48 Stunden eine Regierung auf die Beine stellen, ich will mit Renzi das Programm diskutieren", sagte Parteichef Angelino Alfano. "Italien braucht und verdient große Dinge. Wir sind bereit für diese großen Dinge", fügte er hinzu.
Die Partei des wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilten Ex-Regierungschefs Silvio Berlusconi, Forza Italia (FI), will in der Opposition bleiben. Berlusconi machte aber deutlich, dass Zusagen für die Unterstützung von Reformen, etwa ein neues Wahlrecht, weiterhin gültig seien.
Italien hat einen riesigen Schuldenberg und galt lange als Wackelkandidat in der Euro-Schuldenkrise. Mittlerweile hat sich die Lage der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone stabilisiert. Renzi hat mit seiner Ankündigung, Italien mit konsequenten Reformen aus der Krise führen zu wollen, große Erwartungen geweckt. Zu den Herausforderungen gehören ein neues Wahlrecht oder der Kampf gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit. Renzi wäre bereits der dritte Ministerpräsident seit dem Rücktritt Berlusconis 2011.