Nach Skandal-Rede: Wie viel NPD steckt in der AfD?
Berlin - Für Bernd Lucke, den Gründer der AfD, war die Sache einst klar. Mit Rechtsradikalen wollte der eurokritische Professor nichts zu tun haben. So sorgte er dafür, dass sich die AfD nach ihrem Einzug ins EU-Parlament nicht der ENF-Fraktion der erklärten Europafeinde anschloss und kein Bündnis mit dem französischen Front National (FN), der britischen Ukip, der niederländischen Freiheitspartei oder der FPÖ einging, sondern eine Fraktion mit den Euroskeptikern um die britischen Tories bildete.
Und auch Nachfolgerin Frauke Petry distanzierte sich anfangs von den rechtsradikalen Kräften in den eigenen Reihen und wollte von einer Zusammenarbeit mit dem FN von Marine Le Pen nichts wissen. "Mit dieser Partei hat die AfD nichts gemeinsam", sagte sie nach ihrer Wahl im Sommer 2015.
Am heutigen Samstag aber endet diese Distanzierung der AfD von den radikalen Rechtspopulisten. Bei einer Tagung der Europafeinde im EU-Parlament in Koblenz treten Petry und Le Pen erstmals gemeinsam auf.
"Sammelbecken für rechte und rechtsextreme Strömungen"
Für Parteien- und Extremismusforscher kommt diese Entwicklung nicht überraschend. Stück für Stück rücke die Partei nach rechts und nähere sich immer weiter in Ideologie, Programmatik und Wortwahl den anderen europäischen Rechtsaußen-Parteien an. Die AfD habe sich "als Sammelbecken für diverse rechte und rechtsextreme Strömungen" etabliert, heißt es im Jahresbericht 2016 der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin".
Eine Befragung des Meinungsforschungsinstituts Infratest-dimap ergab, dass bei den Fragen nach der Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus und Verharmlosung des Nationalsozialismus die Wähler der AfD in der Summe erheblich weiter rechts stehen als die aller anderen Parteien. Der Politikwissenschaftler Richard Stöss nennt die AfD eine "nationalkonservative Partei mit Brücken zum Rechtsextremismus hin".
Dazu gehören auch gezielte Provokationen und inszenierte Tabubrüche führender AfD-Funktionäre, mit denen die Radikalisierung der Partei weiter vorangetrieben wird. Erst im Dezember beschloss die AfD-Spitze ein Strategiepapier für den Bundestagswahlkampf. Mit "sorgfältig geplanten Provokationen" wolle man die anderen Parteien zu nervösen und unfairen Reaktionen verleiten, heißt es darin. Denn: Je mehr die AfD von den anderen stigmatisiert werde, "desto positiver ist das für das Profil der Partei".
"Der völkische Flügel in Deutschland hat jede Scham verloren"
Wie zum Beweis provozierte der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke, der schon in der Vergangenheit öfter wegen der bewussten Verwendung von NS-Vokabular aufgefallen ist, mit seiner Äußerung über das Berliner Holocaust-Mahnmal, das er ein "Denkmal der Schande" nannte – und das ausgerechnet am gleichen Tag, an dem das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein Verbot der rechtsradikalen und verfassungsfeindlichen NPD ablehnte. Als Reaktion forderten Politiker aller Parteien, dass die AfD künftig vom Verfassungsschutz überwacht werde. An Höcke habe man gesehen, "dass die AfD rechtsextremistische Züge hat, dass sie gar nicht so harmlos ist, wie sie sich gerne gibt", sagte Familienministerin Manuela Schwesig am Freitag im "Spiegel".
Für den Extremismusforscher Steffen Kailitz, Gutachter im NPD-Verbotsverfahren, ist das kein Zufall. "Der völkische Flügel in Deutschland hat jede Scham verloren", sagt er. Bei Höcke erkenne man "eine komplette Übereinstimmung mit den Positionen zur NPD". Seine Prognose ist düster: "In Zukunft werden aus der AfD noch mehr Äußerungen wie die von Höcke zu hören sein."