Nach Papst-Rücktritt wird Forderung nach neuen Regeln laut
Rom - Der erste Rücktritt eines Papstes seit mehr als 700 Jahren könnte die Tür für eine Begrenzung der Amtszeit öffnen. Nach Einschätzung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) hat Benedikt mit seinem Rückzug einen neuen Standard gesetzt.
Unterdessen blühen weltweit die Spekulationen über den möglichen Nachfolger. Ein Favorit ist aber noch nicht erkennbar. Am 28. Februar wird Benedikt sein Pontifikat aufgeben. Dann beginnt innerhalb von 15 bis 20 Tagen das Konklave, das seinen Nachfolger wählt. Bis Ostern soll der neue Papst feststehen. Voraussichtlich 117 Kardinäle aus aller Welt sind beim Konklave wahlberechtigt, darunter sechs aus Deutschland.
Als mögliche Nachfolger werden unter anderem der Mailänder Erzbischof Angelo Scola und die beiden Afrikaner Peter Turkson aus Ghana und Francis Arinze aus Nigeria genannt. Auch Kardinal Marc Ouellet aus dem kanadischen Quebec und dem New Yorker Erzbischof Timothy Dolan werden Chancen eingeräumt. Aus Lateinamerika werden der Erzbischof von Sao Paulo, Kardinal Otto Scherer, und Kurienkardinal Leonardo Sandri aus Argentinien genannt.
ZdK-Generalsekretär Stefan Vesper sagte am Dienstag im ARD-"Morgenmagazin", der Papst habe miterlebt, wie sein Vorgänger Johannes Paul II. über Jahre sehr krank war und die Kirche keine richtige Leitung hatte. "Das wollte er sich nicht zumuten. Das wollte er der Kirche nicht zumuten - und vielleicht wollte er das auch der Welt nicht zumuten."
Nach den Worten des Kölner Kardinals Joachim Meisner "müsste der neue Papst sicher ein Mann von ähnlich hoher Bildung wie Joseph Ratzinger, mit großer menschlicher Erfahrung und - vor allem - von vitaler Gesundheit sein. Nicht älter als 70", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Dienstag).
Auch nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sollte der nächste Papst in der Tradition seiner Vorgänger stehen. Wichtig werde es sein, dass der nächste Heilige Vater seinen Dienst in Kontinuität zu seinen beiden Vorgängern sieht, sagte Zollitsch der "Welt" (Dienstag). Es wird damit gerechnet, dass das neue Oberhaupt der Katholiken aus dem Kreis der Kardinäle im Konklave kommt, theoretisch kann aber jeder männliche Katholik gewählt werden.
Der Rücktritt des Papstes zwingt die katholische Kirche nach Ansicht des Frankfurter Theologen Knut Wenzel, Regeln für einen Rückzug von Kirchenoberhäuptern zu schaffen. Auch eine Wahl auf Zeit oder sogar Abwahl hält Wenzel auf lange Sicht keineswegs für unmöglich. Man müsse nun sehen, ob sich dies mittel- oder langfristig zu einer "ganz neuen Kultur des Umgangs mit dem kirchlichen Amt" führe. "Ein Amt, das man nur auf Zeit innehat, wäre ja zum Beispiel auch ein Wahlamt, von dem man auch abgewählt werden könnte."
Der Pfarrer der größten deutschsprachigen katholischen Gemeinde Brasiliens, der Kirchenjurist und Ordensmann Georg Fischer, sieht im angekündigten Rücktritt von Papst Benedikt XVI. einen "sehr mutigen Schritt". Er sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Damit hat er einen Präzedenzfall geschaffen, an dem sich auch seine Nachfolger orientieren können."
Für seine Entscheidung zum Rücktritt erhielt Benedikt weltweit Anerkennung, Lob und Respekt. Auch in Israel wurde die Ankündigung mit Bewegung und großer Anerkennung aufgenommen. Der Oberrabbiner der sephardischen Juden, Schlomo Amar, würdigte vor allem das Eintreten Benedikts gegen Antisemitismus und gegen das Leugnen des Holocaust, wie die Zeitung "Jerusalem Post" am Dienstag berichtete. Präsident Schimon Peres hob die Verdienste des Papstes für das katholisch-jüdische Verhältnis hervor. "Die Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan sind so gut wie nie zuvor", sagte er.
Rund zwei Wochen bleiben Benedikt noch im Amt. Fest steht, dass sich der Papst mit einem kleinen Programm verabschieden wird, das ganz auf die Fastenzeit vor Ostern ausgerichtet ist. Danach beginnt am 28. Februar um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz. Benedikt wird sich dann in ein Kloster zurückziehen.
Der Kölner Kardinal Meisner hat nach eigenen Angaben seinen Kurswechsel bei der "Pille danach" mit dem Vatikan abgesprochen. Er habe sich mit der Glaubenskongregation und der Päpstlichen Akademie für das Leben abgestimmt, sagte Meisner dem "Kölner Stadt-Anzeiger". "Ich habe auch mit dem Sekretär des Papstes, Erzbischof Gänswein, darüber gesprochen. Er hat mir gesagt: "Der Papst weiß Bescheid. Es ist alles in Ordnung"", sagte Meisner.
Im Streit um die Behandlung vergewaltigter Frauen in katholischen Krankenhäusern hatte Meisner vor einigen Tagen überraschend seine bislang ablehnende Haltung korrigiert: Die "Pille danach" sei zulässig, wenn das Medikament eingesetzt werde, um die Befruchtung zu verhindern.