Nach Gefangenenaustausch mit Russland: Experten aus München sehen Deal skeptisch

Zwei Osteuropa-Experten aus München reagieren auf den Austausch von Geiseln und Verbrechern mit Russland. Sie warnen vor weiteren ähnlichen Deals.
Alexander Spöri
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Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßt den vom Westen freigelassenen russischen Tiergartenmörder Wadim Krassikow nach dessen Ankunft auf dem Regierungsflughafen Vnukovo außerhalb von Moskau.
Der russische Präsident Wladimir Putin begrüßt den vom Westen freigelassenen russischen Tiergartenmörder Wadim Krassikow nach dessen Ankunft auf dem Regierungsflughafen Vnukovo außerhalb von Moskau. © Mikhail Voskresensky (Sputnik Kremlin Pool via AP)

München – Zahlreiche deutsche Politiker sehen im Austausch von den in Russland inhaftierten Menschenrechtsaktivisten sowie Journalisten gegen im Westen gefangen gehaltene russische Verbrecher einen Erfolg. Experten aus Bayern sehen den Deal jedoch kritisch – auch wenn grundsätzlich nachvollziehbar sei, dass die Rückkehr der politisch Verfolgten durchaus auch Anlass zur Freude bereitet.

Die Osteuropa-Forscherin Franziska Davies von der LMU weist auf den hohen Preis hin, den demokratische Staaten für den Austausch in Zukunft zahlen werden. Russland werde immer wieder versuchen, den Westen "zu erpressen". Der Historiker Martin Schulze Wessel von derselben Universität greift zu ähnlichen Worten: Das muss ein einmaliger Austausch gewesen sein, den man nicht wiederholen sollte.

"Bündel von Motiven": Darum ist es überhaupt zum Austausch gekommen

In ihrer Analyse kommen die zwei Forscher zu nahezu gleichen Resultaten. "Es ist nicht Spion gegen Spion getauscht worden", sagt Davies der AZ. "Sonst könnte man sagen, dass eine gewisse Äquivalenz besteht", so die Expertin weiter.

Aus diesem Grund erinnert der Fall laut Schulze Wessel auch nicht an den Kalten Krieg. In diesem Fall sei es vor allem um die Freipressung des in Berlin verurteilten Tiergartenmörders gegangen, sagen beide Experten unisono. Der Mord an einem tschetschenischen, in Deutschland asylsuchenden Oppositionspolitiker hatte sich 2019 mitten in der Bundeshauptstadt ereignet.

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Erst nach langen Diskussionen habe sich die Generalstaatsanwaltschaft bereiterklärt, dass der Mörder freigelassen wird, sagt Schulze Wessel der AZ. Im Hintergrund könnten die deutsch-amerikanischen Beziehungen eine Rolle gespielt haben, letztlich sei es aber auch um das Schicksal deutscher Staatsbürger gegangen, die in Russland und Belarus hinter Gittern sitzen. "Dieses Bündel von Motiven könnte ausschlaggebend gewesen sein", sagt der Historiker.

Nach Freilassung: Weitere Auftragsmorde in Europa nicht ausgeschlossen

Doch auch nachdem die Menschenrechtsaktivisten und Journalisten zurück im Westen sind, müssten sie sich weiterhin auf Angriffe einstellen. "Putins schärfstes Sprachrohr, Dmitri Medwedew, hat gesagt, dass die von Russland freigelassenen Verräter sich im Rahmen von Zeugenschutzprogrammen tarnen sollen", so Schulze Wessel. Es sei nicht ausgeschlossen, dass es erneut zu Auftragsmorden kommt.

Was den Verbrechern, die zurück in Russland angekommen sind, droht, sei unklar. Putin und die Geheimdienstchefs hatten sie zwar persönlich am Flughafen begrüßt, laut Davies sei aber noch unklar, wie das Regime mit ihnen umgeht.

Wie geht es mit den Heimkehrern in Russland weiter?

"Loyalität ist Putin sehr wichtig. Er hat ein Zeichen gesetzt und sie zurückgeholt", so die Expertin Davies. Es sei aber möglich, dass die Verbrecher hinter verschlossenen Türen auch andere Töne zu hören bekommen. Sie waren für lange Zeit im Westen und könnten Geheimnisse verraten haben.

Durch den Deal wird sich die Lage von Kritikern in Russland weiter verschlechtern: Vor allem Journalisten seien jetzt "Freiwild", so Davies. Mit Blick auf die deutsche Politik warnt die Expertin davor, den Austausch als zu großen Erfolg zu verkaufen. Sonst laufe die Regierung in die Gefahr, von Putin erpresst zu werden.

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