Nach der Wahlschlappe: „Seehofer ist enteiert“

Es ist ein ganz bitteres Ergebnis für die CSU und vorallem für Horst Seehofer. Noch stellt sich die CSU-Spitze offiziell hinter den Chef. Doch der neue Hoffnungsträger ist ein anderer: Karl-Theodor zu Guttenberg.
von  Abendzeitung
Horst Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg
Horst Seehofer und Karl-Theodor zu Guttenberg © dpa

Es ist ein ganz bitteres Ergebnis für die CSU und vorallem für Horst Seehofer. Noch stellt sich die CSU-Spitze offiziell hinter den Chef. Doch der neue Hoffnungsträger ist ein anderer: Karl-Theodor zu Guttenberg.

Seine Hautfarbe ist grau. Die Augen liegen eingebettet in einem dunklen Schatten. Horst Seehofer hat die Nacht nach seinem Wahldesaster wenig geschlafen und viel telefoniert. Er, der sich selbst als der Heilsbringer der CSU sah, wurde vom Wähler brutal entzaubert. Einer der mächtigen Bezirksvorsitzenden triumphiert schadenfroh im kleinen Kreis: „Seehofer ist enteiert“. In der CSU-Vorstandssitzung aber fällt darüber kein Wort. Wie in einem Mantra wiederholt Seehofer in der fast vierstündigen Sitzung immer wieder: „Ich möchte meiner Verantwortung gerecht werden.“

Das klingt fast so, wie Edmund Stoiber im November 2005, als er aus Berlin zurück nach München floh und seine Partei anflehte: „Gebt mir bitte eine zweite Chance.“ Eine Personaldebatte will an diesem Tag keiner anzetteln. Vier lange Stunden wird um den heißen Brei herumgeredet. Niemand will Seehofer jetzt, wo die Koalitionsverhandlungen in Berlin bevorstehen, direkt angreifen. Noch warten alle ab, welche Eigendynamik sich nach Seehofers Absturz an der Partei-Basis entwickelt.

Karl-Theodor zu Guttenberg sieht blendend aus. Seine Körperhaltung ist noch dynamischer als sonst, als wäre er über Nacht ein paar Zentimeter gewachsen. Er strahlt übers ganze Gesicht, schließlich ist er nicht nur Deutschlands „Erststimmen-König“. Auch bei den Zweitstimmen hat er mit 49,5 Prozent das beste Ergebnis der Republik erzielt. Auf ihn stützen sich jetzt die Hoffnungen der CSU. Aber auch das sagt keiner in dieser Sitzung. 31 Wortmeldungen gibt es. Alle drehen sich um das eine: um die Glaubwürdigkeit der CSU, die Horst Seehofer mit seinen Versprechungen und Sprüchen verspielt hat.

Karl-Theodor zu Guttenberg zieht elegant das Florett, trägt emotionslos eine Umfrage vor, nach der 64 Prozent der Deutschen der CSU nicht mehr glauben.

Bisher hat er alles richtig gemacht: Als die CSU-Spitze eine Woche vor der Wahl noch ein Sofortprogramm vorstellte, meldete er sich krank. Der Wahlparty seiner Partei am Sonntagabend blieb er fern. Mit dem Verlierer Seehofer wollte er nicht in Zusammenhang gebracht werden. Er ließ sich lieber daheim in Franken feiern, als der eigentliche Wahlsieger. Den Königsmörder wird er nicht spielen. Auch Guttenberg wartet ab.

Nach der desaströsen Landtagswahl 2008 war die CSU noch in einen Blutrausch geraten und hatte ihre gesamte Spitze ausgewechselt. Doch jetzt herrscht Ratlosigkeit mangels Alternative. Nach dem Sturz von Stoiber, Huber und Beckstein gibt es diesmal nämlich keine Übergangslösung mehr. Es bliebe nur der radikale Schnitt mit Karl-Theodor zu Guttenberg. Der aber hält sich zurück.

Schob Seehofer damals noch alle Schuld auf die beiden Wahlverlierer Erwin Huber und Günther Beckstein („Die können es nicht“), sieht er den Grund für seine eigenen Wahlniederlage bei einer „strukturellen Niveau-Senkung“. Seine Partei klärte er gestern auf: „Wir werden uns künftig auf Ergebnisse Mitte 40 Prozent einstellen müssen.“

Da bleibt nur Zähne zusammen beißen und durch. So musste sich die CSU gestern hinter ihrem geschwächten Seehofer zusammenscharren.

Doch mit dem schlechtesten Wahlergebnis der Geschichte können die Christsozialen so nicht weitermachen wie bisher. Das weiß auch Seehofer. In kleinem Kreise gelobte er bereits Besserung, dass er nicht mehr den Alleinherrscher geben werde und mehr auf das Team setze.

Dafür bleiben ihm zwei Jahre Bewährungsfrist. 2011 ist der nächste CSU-Parteitag, an dem der Vorsitzende gewählt wird. Horst Seehofer wird das dann nicht mehr sein. Angela Böhm

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.