Nach der Konferenz: Der tiefe Riss

Die Sicherheitskonferenz in München zeigt: Die Lage im Bündnis ist ernst. Afghanistan stürzt die Nato in die Krise. Freundlich und leise werden die Deutschen in die Drückeberger-Ecke gestellt.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Die Sicherheitskonferenz in München zeigt: Die Lage im Bündnis ist ernst. Afghanistan stürzt die Nato in die Krise. Freundlich und leise werden die Deutschen in die Drückeberger-Ecke gestellt.

von MATTHIAS MAUS

Es flogen keine Funken, niemand schleuderte Blitze, über Strecken war die Sicherheitskonferenz so aggressiv wie ein Nähkränzchen. Doch wenn Politiker, Generale und Strategen, die sonst bereit sind, zum Äußersten zu gehen, plötzlich ganz friedlich werden, dann ist wirklich was faul. Und so war’s auch im Bayerischen Hof.

„Die einen kämpfen, die anderen nicht“

Die Zeiten haben sich geändert, breite Nadelstreifen sind ein bisschen aus der Mode. Und die „Neocons“, die knallharten Bush-Leute, die die Welt in den Irak-Krieg und die deutschen Teilnehmer in die Verzweiflung trieben, sie sind heuer gar nicht mehr nach München gekommen. Robert Gates, Nachfolger von Donald Rumsfeld und noch ein knappes Jahr Verteidigungsminister der USA, ist ein bedächtiger Mann: Er wolle „keine Panik machen“, aber doch lässt er nicht locker: „Es darf keine Zweiteilung in der Nato geben“, sagt der ehemalige CIA-Chef: „Die einen kämpfen, die anderen nicht.“

Die Deutschen in der Drückeberger-Ecke

Gates nennt keine Namen, aber die Deutschen sind an empfindlicher Stelle getroffen. Freundlich und leise werden sie in die Drückeberger-Ecke gestellt. Da wollen sie aber nicht hin. Gates hat Rückendeckung von fast der ganzen US-Delegation. Selbst Kenneth Roth, Chef der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, sekundiert: „Soldaten sichern das Leben der Menschen“, die Deutschen würden sich ja nicht mal im Norden mit den Kriegsherren anlegen. So eine Front schmiedet zusammen, es kommt zum großen deutschen Schulterschluss. „Befremdlich“ sei die Diskussion, sagte Außenminister Steinmeier, was auf Diplomatie-Deutsch höchsten Ärger signalisiert. Mit „großem Selbstbewusstsein“ sollten die Deutschen dem Ansinnen der USA entgegentreten, meint ein großer selbstbewusster Jürgen Trittin, und selbst FDP-Chef Guido Westerwelle verweist auf den Konsens „aller Parteien“.

„Die Taliban verschwinden nicht“

Während sich Verteidigungsminister Franz-Josef Jung im Saal bemüht, als Fachminister endlich ernst genommen zu werden, schütteln im Foyer die deutschen Fachleute den Kopf. Militärisch sei der Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen. Das müssten die USA begreifen: „Die Taliban verschwinden nicht“, sagt ein Experte. Am besten machten es noch die Deutschen mit ihren Wiederaufbau-Teams im Norden, meint Wolfgang Ischinger, der vom nächsten Jahr an die Konferenz leiten wird. Ganz Super-Diplomat leugnet er, was doch offensichtlich ist: „Wir sind nicht auf der Anklagebank.“ Zumindest wehren sich die Gastgeber tapfer: „Wir müssen uns nicht verstecken“, sagt Außenminister Steinmeier. Man werde nicht gefährden, was man im Norden erreicht habe.

„Aber der Kampf ist im Süden“

Das sei ja „respektabel“, sagte US-Senator Lindsey Graham. „Aber der Kampf ist im Süden.“ Dass mehr Soldaten mehr Sicherheit bedeute, das hätten die USA gerade im Irak gelernt „Wir lernen langsam, aber sicher.“ Neue amerikanische Bescheidenheit. Wenigstens etwas Flexibilität sollten die Deutschen zeigen. Immerhin ist eine Aufstockung des Kontingents um 1000 weitere Bundeswehr-Soldaten im Gespräch: Wie ein solches Mandat allerdings durch den Bundestag gehen soll, das fragt sich nicht nur Rainer Arnold, der als SPD-Verteidigungs-Sprecher die Stimmung der Abgeordneten kennt.

Die Lage ist ernst, wie das Ultimatum der Kanadier zeigt

Der Riss ist tief im Bündnis, die Lage ernst. Wie ernst, zeigt das Ultimatum der Kanadier. Sie kämpfen im Süden Afghanistans, und sie haben viele tote Soldaten zu beklagen. Entweder wir kriegen heuer 1000 Mann Verstärkung, so die Drohung aus Ottawa, oder wir sind 2009 raus aus Afghanistan. „Das Schicksal der Nato entscheidet sich in Afghanistan“, sagt US-Senator Lieberman. „Eine Niederlage gegen die Taliban, die Mädchen erschießen, weil sie in die Schule gehen, können wir uns nicht leisten.“

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.