Nach dem Windrad-Debakel in Bayern: Aiwanger kassiert Verbal-Watschn im Bayerischen Landtag

Das Debakel um den Windpark in Altötting spielt auch im Wirtschaftsausschuss im Landtag eine Rolle. Das sagen Experten zu Bayerns Status bei der Energiewende.
von  Heidi Geyer
Wegen seiner Energiepolitik in der Kritik: Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger.
Wegen seiner Energiepolitik in der Kritik: Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa/Archivbild

München – Zur Benko-Pleite und der Zukunft von Galeria sollte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) am Donnerstag im Wirtschaftsausschuss im Bayerischen Landtag Auskunft geben. Er ist kaum zur Tür raus, da fängt er sich schon eine mündliche Watschn ein – ausgerechnet von einem Landwirt. Denn auf Antrag der Grünen und der SPD sind Experten geladen zum Thema "Beschleunigung der Energiewende im Strombereich".

"Mit dem Tempo werden wir die Ziele nicht erreichen", sagt gleich zu Beginn Sepp Bichler, Geschäftsführer der Energiebauern GmbH. Er prangert an, dass der Staat der größte Preistreiber sei, kritisiert aber auch, dass der Verband der Windkraftgegner zu Unrecht als Naturschutzverband eingestuft sei – und damit Klagerecht hat.

Er ist als einer von acht Experten in den Ausschuss geladen, es sind aber auch Vertreter von Biogas, Kraftwerken und Wasserkraft geladen. Wenn man so will, das "Who is who" der Energiewirtschaft im Freistaat.

Energiewende in Bayern geht zu langsam voran: "Hören wir mit dem Parteigezänk auf"

Der Trassenbau schreite zu langsam voran, die ewige Debatte um die Atomenergie ist laut Bichler eine "Fata Morgana" und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gehöre entschlackt. "Hören wir einfach mit dem Parteigezänk auf", appelliert Bichler an die Ausschussmitglieder.

Bei der Photovoltaik sieht es in Bayern recht gut aus. Nur die Windkraft ist ein dauerhaftes Sorgenkind. Denn bis 2027 muss der Freistaat 1,1 Prozent seiner Fläche, bis 2032 sogar 1,8 Prozent als Windenergieflächen ausweisen.

Wie schwierig das ist, weiß der Tölzer Landrat Josef Niedermaier, ein Parteikollege Aiwangers. Er ist in seiner Funktion als Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Regionalen Planungsverbände (AG RPV) im Landtag.

Verunsicherungen und Unklarheiten: Es brauche ein einfaches und rechtssicheres Vorgehen

Derzeit würde die Planung wegen zahlreicher Unklarheiten viel zu viele Kapazitäten bündeln bei den Verbänden. Es herrsche eine große Verunsicherung bei den Entscheidungsträgern in der Politik. Niedermaier spricht von pragmatischem Vorgehen, das aber im Zweifelsfall eben doch rechtssicher sein müsse – und genau da liegt der Knackpunkt.

"Lieber Flächen nachträglich ausschließen", fordert er, anstatt vorsorglich Planungen zu beschränken. "Weg von: Hinsetzen und Probleme suchen!", sagt Niedermaier. Windkraftvertreter Bernd Wust warnt ebenfalls, dass man beim derzeitigen Tempo den Ansprüchen nicht gerecht werde. "Drei Windenergieanlagen müssten pro Woche gebaut werden, um bis die Ziele bis 2040 zu erreichen", sagt Wust.

Freistaat kommt beim Windkraft-Ausbau nicht hinterher – Bürgerentscheide verlangsamen Vorhaben

Das Debakel im Landkreis Altötting, es ist auch im Wirtschaftsausschuss Thema. Dort sollen mehrere Anlagen gebaut werden, doch der Widerstand aus der Bevölkerung ist sehr groß. Am 9. Juni steht in Marktl ein Bürgerentscheid an. Bei einer Bürgerversammlung am Montag verließen die Windkraftgegner die Diskussion während Aiwangers Auftritt.

Der Grüne Martin Stümpfig sieht viele Versäumnisse Aiwangers. "Besonders anpacken muss man jetzt bei den Windrädern und beim Netzausbau", sagt Stümpfig der AZ. Er fordert eine Beschleunigung, indem die Staatsregierung erkläre, dass die Flächen bereits bis Ende des Jahres ausgewiesen werden. Das Projekt in Altötting sieht Stümpfig insofern kritisch, weil die Gemeinden nicht den Hut aufhaben und stattdessen die Bayerischen Staatsforsten den meistbietenden Investor beauftragt haben.

Verbandklagerecht bremst Bauvorhaben aus: Debatte über Rechtslage dringend notwendig

Viel Neues habe sie nicht erfahren, sagt die stellvertretende Ausschussvorsitzende Kerstin Schreyer (CSU) der AZ. Sie und ihre Kollegen seien ohnehin in Kontakt mit Experten. "Was klar ist: Wenn wir mit Energieleitungen weiterkommen wollen, müssen wir uns überlegen, wie wir mit dem Verbändeklagerecht umgehen", sagt die ehemalige Verkehrsministerin. Es gehe nicht darum, etwas abzuschaffen, aber etwa um die Frage, was man wie oft prüfen müsse.

An Aiwanger hat Schreyer die Bitte, sich mit seinem FW-Kollegen aus dem Umweltministerium stärker abzustimmen: "Sie sollten sich zusammen hinsetzen und abschichten, wo es Verfahren gibt, die bremsen. Wenn die Energiewende gelingen sollen, müssen die zwei mehr reden."

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