Nach dem Hamas-Terror: Wo bleibt die Solidarität für Israel?

Israel-Fahnen an deutschen Fenstern und Balkonen? Breite Unterstützung für das angegriffene Land? Das scheint nicht so einfach. Welche Rolle Antisemitismus spielt – und die Medienlandschaft.
Laura Mielke |
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Teilnehmer einer Solidaritätskundgebung in Magdeburg schwenken eine Israel-Flagge.
Teilnehmer einer Solidaritätskundgebung in Magdeburg schwenken eine Israel-Flagge. © Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Berlin - Der Krieg gegen die Ukraine ist nicht mit den Angriffen der Hamas auf Israel zu vergleichen. Dennoch fällt eines auf: Die Solidarität für die Ukraine ist eine andere als die für Israel – zumindest unmittelbar nach Kriegsausbruch.

Wenn man an die Wochen und Monate nach dem 24. Februar 2022 – der Tag, an dem Russland die Ukraine überfiel – zurückdenkt, erinnert man sich an Kundgebungen im ganzen Land. Es gab blau-gelb lackierte Fingernägel, Ukraine-Flaggen in den Fenstern.

Israel gegen die Hamas: Tenor nicht einstimmig verurteilend

Nach dem Angriff auf Israel ist das anders. Ja, in Berlin kamen 10.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor zusammen, um Solidarität und Mitgefühl mit Israel zu demonstrieren. Israel-Fahnen hängen aber nur selten an Balkonen und in manchen Städten werden sie gar abgerissen. Obwohl der Terror der Hamas gegen Zivilisten blutrünstig war, ist der Tenor hierzulande nicht einstimmig verurteilend. Das hat auch mit der Angst zu tun, etwas Falsches zu sagen. Wegen des Holocausts gibt es in Deutschland kein sensibleres Thema.

Die Konflikte zwischen Israelis und Palästinensern sind so verworren, dass es manchen schwerfällt, sich klar auf eine Seite zu schlagen. Das Existenzrecht Israels ist deutsche Staatsräson, aber die israelische Siedlungspolitik nimmt den Palästinensern die Möglichkeit, einen funktionstüchtigen Staat zu gründen.

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Nicht wenige in Deutschland vertreten antisemitische Ansichten

Und sind die Toten in Gaza weniger wert als jene in Israel? Wer diesen Gedanken ausspricht, setzt sich mit Blick auf die Barbarei der Hamas dem Vorwurf aus, den Terror zu relativieren. Also halten viele lieber den Mund. Zur Wahrheit gehört aber auch: In Deutschland leben nicht wenige Menschen, die klar antisemitische und anti-israelische Ansichten vertreten. Und das nicht nur in der arabischen Community hierzulande, wobei es auch da einen Unterschied gibt zwischen propalästinensischen und antisemitischen Protesten.

Zwischen 20 und 30 Prozent der deutschen Bevölkerung zeigten in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung antisemitische Denkmuster: Ein Viertel ist der Ansicht, dass "Jüdinnen und Juden zu viel Einfluss auf der Welt" haben. Der Aussage, "was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben", stimmen mehr als ein Drittel zu. Jeder neunte Befragte ist überzeugt, dass Juden nicht zu Deutschland gehören. Mehr noch unter AfD- und CDU/CSU-Anhängern. Wer Antisemitismus als importiertes Problem betrachtet, macht es sich also zu einfach.

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Greta Thunberg und einige Linke stellen sich gegen Israel

Aber im aktuellen Konflikt wird deutlich, dass diese Ansichten nicht nur rechts der Mitte zu finden sind. Einige sogenannte antikolonialistische Linke stellen sich an die Seite Palästinas und gegen Israel. So beispielsweise die Fridays-for-Future-Aktivistin Greta Thunberg. Sie stellte ein Bild online, das sie und Mitstreiterinnen mit Demo-Schildern zeigt, auf denen "Free Palestine" stand. Thunberg ist eine Ikone, ihr Beispiel für die jüngere Generation bedeutsam.

Die deutsche Gruppe von Fridays for Future schrieb, nachdem sie aufgerufen wurde, sich zu distanzieren: Man sei solidarisch mit Juden, aber sehe auch das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza. Diese Positionen seien keine Widersprüche. Es gibt weitere Beispiele aus dem politisch linken Spektrum. Während andere Medienhäuser in ihren Schlagzeilen "Krieg in Israel" schreiben, titelt das kommunistische Magazin Junge Welt: "Krieg gegen Gaza". In der linken Öffentlichkeit schwankt der Diskurs zwischen dem Recht auf Verteidigung Israels und dem Vorwurf, Israel sei eine besetzende Kolonialmacht.

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Angesichts der vielen Krisen: Fehlende Anteilnahme als Zeichen der Erschöpfung

Dass die öffentliche Anteilnahme am Leid der Israelis eher gedämpft ausfällt, hat aber womöglich auch mit der Erschöpfung der Gesellschaft zu tun. Corona, Krieg in der Ukraine, Inflation, Gewalt in Israel - vielleicht ist das für manchen einfach zu viel, um sich aktiv damit befassen zu wollen. Ein Rückzug ins Private, raus aus dem Strudel schlechter Nachrichten. Das belegen auch Studien: Jeder zehnte Deutsche versucht, Nachrichten aktiv zu meiden.

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