Nach dem erschütternden Auftritt: Wie krank ist Kohl?

Bei seinem ersten Auftritt seit langem erschüttert Helmut Kohl die Nation. Der Altkanzler (79) kann kaum sprechen und sitzt im Rollstuhl. Dennoch sagen seine Freunde: Er ist auf dem Weg der Besserung.
von  Abendzeitung
Helmut Kohl ist angeschlagen. Seine Freunde sagen, er sei auf dem Weg der Besserung.
Helmut Kohl ist angeschlagen. Seine Freunde sagen, er sei auf dem Weg der Besserung. © dpa

MÜNCHEN - Bei seinem ersten Auftritt seit langem erschüttert Helmut Kohl die Nation. Der Altkanzler (79) kann kaum sprechen und sitzt im Rollstuhl. Dennoch sagen seine Freunde: Er ist auf dem Weg der Besserung.

Das Blitzlichtgewitter peitscht um sein Gesicht. Helmut Kohl ist wieder zurück. Seit über einem Jahr hat man nichts von ihm gelesen oder gehört. Lediglich im Mai hatte er sich kurz bei einer Preisverleihung gezeigt. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin erscheint der Ex-Bundeskanzler mit den anderen beiden Vätern der Wiedervereinigung, Michail Gorbatschow und George Bush senior, im Berliner Friedrichstadtpalast.

Bis zuletzt war es nicht sicher, ob Kohl überhaupt kommen kann. Ein unglücklicher Sturz im Badezimmer hat ihn 2008 außer Gefecht gesetzt. Er zog sich damals eine schwere Kopfverletzung zu, die motorische und sprachliche Störungen auslöste. Anfangs konnte er gar nicht sprechen, und das Laufen fiel ihm so schwer, dass er einen Rollstuhl brauchte.

„Wir sind erstaunt, wie sich seit ein paar Monaten sein Zustand von Tag zu Tag verbessert und er sich wieder artikulieren kann. Es sieht ganz danach aus, dass er bald wieder auf eigenen Beinen stehen kann“, sagt ein prominenter Unions-Politiker.

Seine Worte kommen nur langsam über seine Lippen

Als Helmut Kohl durch einen Seiteneingang auf die Bühne gebracht wird und das Trio der alten Herren komplett ist, erheben sich die 1800 Ehrengäste und applaudieren. Darunter auch Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Sein Auftritt ist der bewegende Höhepunkt des Festes. Der im Behindertenstuhl sitzende Kohl, aufopfernd betreut von seiner zweiten Ehefrau Maike Richter, hebt beide Hände zum Gruß, schüttelt Gorbi die Hand und wird von Bush an der Schulter getätschelt. „Ich hab’ nichts Besseres, als auf die deutsche Einheit stolz zu sein“, sagt er mit langsamen Worten.

Er wirkt noch angeschlagen. Das Wasserglas, das man ihm reicht, führt er mit beiden Händen zum Mund. Trotzdem strahlt Kohl, im dunklen Anzug mit goldgelber Krawatte und frischem Haarschnitt, so etwas wie aufkeimende Kraft aus. Wann immer er spricht, herrscht atemlose Stille im Saal. Er erinnert daran, was die glorreichen Drei, womit er sich lässig miteinbezieht, in den Jahren 1989 und 1990 leisteten: „Wir haben sehr viel geschafft, wir haben gewaltig gearbeitet. Heute könnte man sagen, die Deutschen sind vernünftig geworden.“

Er war schon wieder bei seinem Berliner Lieblings-Italiener

Bei der Soirée der Emotionen und Erinnerungen wird der CDU-Politiker aus Oggersheim sogar etwas ironisch: „Mit Gorbatschow war es so, dass von Mal zu Mal die Stimmung besser wurde.“ Anfangs konnten sich die beiden bekanntlich überhaupt nicht ausstehen. Schließlich hatte der Ex-Kanzler seinen heutigen Freund Gorbi 1986 mit dem Nazihetzer und Propaganda-Minister Joseph Goebbels verglichen.

Als die Nationalhymne gesungen wird, stehen Bush und Gorbatschow auf und Kohl singt im Sitzen mit. Sein persönliches Verhältnis zu Bush und Gorbatschow bezeichnet er als „Glücksfall“. Es fällt auf, dass er immer wieder die Hände der beiden drückt.

Die Atmosphäre setzt sich beim Abend-Empfang im 19. Stock des Springer-Hochhauses fort. Auch hier wird der Altkanzler mit Standing Ovations begrüßt. Die politischen Schlüsselfiguren sitzen an der langen Tafel mit Gastgeberin Friede Springer, die zur Feier des Tages das Champagnerglas hebt. Ex-Präsidenten-Ehefrau Barbara Bush nimmt bei dem feinen Abendessen neue Verhältnisse in der Berliner Polit-Szene zur Kenntnis. Sie wird dem neuen Außenminister Guido Westerwelle vorgestellt, der seinen Freund Michael Mronz mitgebracht hat.

Helmut Kohl lächelt erstmals an dem Abend und seine Augen signalisieren Freude. Er war schon zwei Tage vorher mit dem Auto, am Steuer sein vertrauter Fahrer Ecki Seeber, von Ludwigshafen in die Bundeshauptstadt gereist. Sein erster Stopp galt dem italienischen Restaurant „Capriccio“ im Grunewald, wo er sich gleichmal seine geliebte Tomatensuppe und Penne arrabiata zu Gemüte führte.

Am nächsten Abend kam er wieder, diesmal mit Michail Gorbatschow und George Bush. Bei dem ganz privaten Dinner ließen sich die drei großen Männer Nudeln mit Trüffel, Seezunge und Kalbskarrée schmecken. Helmut Kohl bestellte zusätzlich eine Portion Penne. Man sieht, dass es ihm wieder besser geht – bei so einem gesegneten Appetit.

Michael Graeter

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