Nach Bombay-Terror: Indische Regierung unter Druck

Die indische Stadt Bombay steht nach den Anschlägen unter Schock. In die Trauer um die Toten mischt sich Wut gegen Regierung und Sicherheitskräfte. Der Innenminister ist inzwischen zurückgetreten.
von  Abendzeitung
Der Umgang mit den Anschlägen steht in der Kritik
Der Umgang mit den Anschlägen steht in der Kritik © ap

Die indische Stadt Bombay steht nach den Anschlägen unter Schock. In die Trauer um die Toten mischt sich Wut gegen Regierung und Sicherheitskräfte. Der Innenminister ist inzwischen zurückgetreten.

Indien bestattete am Wochenende die «Helden von Bombay», Sicherheitskräfte, die im fast 60-stündigen Kampf gegen die Terroristen getötet worden waren. Als die Leichen den Flammen übergeben wurden, war die politische Diskussion über die Folgen der beispiellosen Angriffe auf die Millionenmetropole bereits im vollen Gange.

Im Frühjahr stehen Parlamentswahlen an, und die in Neu Delhi regierende Kongresspartei sieht sich harscher Kritik ausgesetzt: Die Terrorangriffe von Bombay stehen am Ende einer langen Serie von schweren Anschlägen in den vergangenen Jahren. Die hindu- nationalistische Opposition wirft der Kongresspartei vor, die innere Sicherheit sträflich vernachlässigt zu haben. Alleine in diesem Jahr wurden in mindestens sieben indischen Großstädten tödliche Terroranschläge verübt, für die meist muslimische Extremisten verantwortlich gemacht wurden. Insgesamt starben mehr als 400 Menschen. Am 13. September wurde die Hauptstadt Neu Delhi zum wiederholten Male das Ziel einer Bombenserie, 24 Menschen kamen ums Leben. Erstmals schlugen Attentäter in diesem Jahr in der Touristenmetropole Jaipur in Rajasthan zu, mehr als 60 Menschen starben. Am Ende dieser ebenso langen wie furchtbaren Reihe stehen nun die verheerenden Terrorangriffe von Bombay, die auch Deutsche das Leben kosteten.

Dreistes Vorgehen der Terroristen

Kritik gab es nach den jüngsten Angriffen nicht nur an die Adresse der Sicherheitskräfte. Ihnen war es trotz der ungeheuer dreisten Vorgehensweise der Terroristen, die wie eine Invasionsarmee schwer bewaffnet mit Booten nach Bombay kamen, nicht gelungen, die Angreifer rechtzeitig aufzuhalten. Auch die Regierung, die bereits schwer mit den Folgen der Finanzkrise zu kämpfen hat, geriet unter Beschuss. «Trotz glaubhafter Geheimdienstinformationen, dass Terroristen Angriffe in Bombay und anderswo planten, versäumte es die politische Führung Indiens zu handeln», schrieb die Zeitung «The Hindu» am Samstag. Der besonders heftig kritisierte Innenminister Shivraj Patil trat am Sonntag zurück. Er habe «die moralische Verantwortung» für die Anschlagsserie übernommen, hieß es. Indische Medien hatten seit Tagen über einen Ablösung des 74-Jährigen spekuliert, dem schon bei früheren Anschlägen schlechtes Krisenmanagement vorgeworfen worden war. Kurz nach Beginn der jüngsten Angriffe hatte Patil zudem live im Fernsehen preisgegeben, dass 200 Mann einer Elite-Einheit auf dem Weg nach Bombay seien. Er gab den Terroristen damit Zeit, sich auf das Eintreffen der Spezialkräfte vorzubereiten. «Die Terroristen (...) müssen lauthals gelacht haben», schrieb die Zeitung «Asian Age».

Geduld überstrapaziert

Die Geduld der durch die vielen Bluttaten leidgeprüften Inder könnte durch die letzte Angriffserie überstrapaziert worden sein. «Genug ist genug», blendete der Nachrichtensender NDTV in seine laufende Berichterstattung während der schweren Gefechte ein. «Dies ist ein Krieg gegen einen gesichtslosen und fanatischen Feind», schrieb der Vize-Admiral im Ruhestand, Arun Kumar Singh, im «Asian Age». «Dieser Krieg ist nichts für Zartbesaitete und kann nur durch rücksichtslose Taten gewonnen werden.» Unter dem innenpolitischen Druck will die Regierung im Kampf gegen den Terrorismus nun eine deutlich härtere Gangart anschlagen. Den Anfang machte sie bereits: Sie erhob in ungewöhnlich harten Worten Vorwürfe gegen die benachbarte Atommacht Pakistan. Dort, davon ist Neu Delhi überzeugt, liegt der Ursprung der Terrorserie, die ganz Indien ins Herzen getroffen hat. Premierminister Manmohan Singh sagte in einer Ansprache an die Nation: «Wir werden die schärfsten möglichen Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass sich solche Terrorangriffe nicht wiederholen.» Selbst die in der indischen Geschichte einmaligen Angriffe führten allerdings nicht dazu, dass Regierung und Opposition ihre eigenen Aufrufe zur nationalen Einheit in diesen Tagen des Schreckens selbst befolgten. Premierminister Singh und der hindu-nationalistische Oppositionsführer L. K. Advani besuchten Bombay getrennt, ihre Parteien schoben sich gegenseitig die Verantwortung dafür zu. Der Wahlkampf in Indien hat begonnen. (Von Can Merey, dpa)

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.