Nach Auftritt bei Sat.1: Erdogan zeigt Boxweltmeister Ünsal Arik an

Parsberg – Obwohl Arik in Parsberg in der Oberpfalz zur Welt kam, hier in Bayern aufwuchs und fließend deutsch spricht, hat er nie die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Er ist laut eigener Aussage stolzer Türke – doch genau dieser Nationalstolz könnte ihn jetzt ins Gefängnis bringen.
Nach seinem K.O.-Sieg in der dritten Runde des Weltmeisterkampfs zog sich Arik für die Siegerehrung ein T-Shirt über, auf dem unter der türkischen Flagge in türkischer Sprache der Schriftzug "Das Land gehört Atatürk und nicht Erdogan" prangte. Ein Auftritt der von den türkischen Medien kritisch kommentiert wurde.
Im Sat.1 Frühstücksfernsehen legte Ünsal Arik einige Tage später nach. Er erklärte seine Motivation, das T-Shirt anzuziehen: "Der Erdogan macht pure Diktatur, für mich ist er Hitler 2.0. In einem Land wo es viel Armut gibt und wo die Bildung sehr weit zurück ist, kann man Menschen sehr leicht manipulieren. Das macht er sehr gut und er benutzt die größte Waffe, die es gibt, den Glauben."
Er betont aber auch, dass sich seine Kritik nur gegen den Präsidenten richtet, nicht gegen das Land oder das Volk selber: "Ich bin stolzer Türke, ich mach hier nicht mein Land schlecht, ich will ja, dass mein Land wieder von einem Diktator befreit wird."
Türkische Staatsanwaltschaft droht mit vier Jahren Haft
Besagter Staatspräsident Erdogan allerdings sieht bei diesen Aussagen – mal wieder – rot. Er hat Arik persönlich angezeigt. Inzwischen hat den Boxer in seiner oberpfälzischen Heimat auch die offizielle Vorladung erreicht: Am 25. September soll er in der Türkei vor Gericht erscheinen.
Für deutsche Rechtsexperten ist klar, welches Schicksal Arik dort für seine Meinungsäußerungen erwartet. Der Rechtsanwalt Paul Degott zeigte sich gegenüber Sat.1 überzeugt, dass das Gericht wegen Fluchtgefahr sofort Untersuchungshaft anordnen wird – und zeichnete ein düsteres Bild davon, was Ünsal Arik dann erwarten würde: "Er wird gegebenenfalls in ein überfülltes Gefängnis kommen, vor ein Gericht gestellt werden, das heillos überlastet ist und wird dann möglicherweise über viele Monate auf einen Prozess warten müssen."
Am Ende dieses Prozesses drohen Arik dann bis zu vier Jahre Haft – das hat ihm die türkische Staatsanwaltschaft bereits mitgeteilt. Der Sportler, der sich in Bayern für krebskranke Kinder einsetzt und Botschafter der Stiftung Kinderherz ist, will sich dadurch aber nicht einschüchtern lassen: "Nicht hinzufliegen wäre einfach feige. Ich stehe auch zu dem, was ich gesagt habe, also muss ich mich auch meinem Gegner stellen." Der Gefahren, die ihm in diesem Fall drohen, sei er sich dabei durchaus bewusst: "Wenn ich sagen würde, das geht so spurlos an mir vorbei, dann wäre das gelogen."
Allerdings hat Arik auch kaum eine Wahl: Da er kein deutscher Staatsbürger ist, kann er auch nicht auf juristische Unterstützung durch die Bundesrepublik hoffen. Und falls die Türkei nach Nichterscheinen am Gerichtstermin einen internationalen Haftbefehl gegen Ünsal Arik erlassen würde, müsste Deutschland den Boxer ausliefern.
"Kann mit Stolz sagen, dass ich der einzige türkische Sportler bin der Erdogan die Meinung sagt"
Für Arik ist der Auftritt vor Gericht aber vor allen Dingen eine Charakterfrage: "Jeder der mich kennt der weiß, ich geh ganz sicher hin. Weil würde ich es nicht tun, dann wäre ich nicht mehr loyal, weder zu mir selbst noch zu den Menschen die mich unterstützen und lieben. Man hat etwas gestartet, dann muss man das Ganze auch zu Ende bringen."
Und auf seiner Facebook-Fanpage schrieb er kämpferisch: "Ich kann mit Stolz sagen, dass ich der einzige türkische Sportler bin der Recep Tayyip Erdogan und seinen Anhängern die Meinung sagt. Ich stehe für die Ideologie von Mustafa Kemal Atatürk (Demokratie und Menschenrechte). Ich bin sehr glücklich darüber. Ich schlafe nachts ruhig und wache morgens zufrieden auf. Mit dieser Zufriedenheit, Stolz und Ehre könnte ich 10 Jahre hinter Gitter verbringen und würde es niemals bereuen."