Musk und Weidel im Gespräch: Als es um Hitler ging, wurde es vollkommen wild

Der US-Milliardär trifft auf die deutsche Rechtspopulistin: Ideologische Erzählungen und absurde Behauptungen prägen ihre Live-Show auf dem Kurzbotschaftendienst X. Mehr als 200.000 Hörer lauschen, während Fakten auf der Strecke bleiben.
Alexander Spöri
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Elon Musk hat sich auf X mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel ausgetauscht. Die AZ war bei dem Gespräch dabei, das vor allem von viel Einigkeit und zahlreichen Falschbehauptungen geprägt war.
Elon Musk hat sich auf X mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel ausgetauscht. Die AZ war bei dem Gespräch dabei, das vor allem von viel Einigkeit und zahlreichen Falschbehauptungen geprägt war. © Imago

München - In einem engen Büro in Berlin haben sich die Spitzenkandidatin der Alternative für Deutschland (AfD) und mehrere Mitglieder aus ihrem Team versammelt. Alice Weidel trägt ein dunkles Sakko mit weißem Pullover, sitzt vor einem Mikrofon. Zeitgleich läuft das Internet bereits heiß, rechtsextreme Medien sind schon auf Sendung. Gleich bekommt die AfD-Funktionärin eine der größten Bühnen, die ihr als Politikerin jemals geboten wurden.

Ebenso laufen auf der anderen Seite des Atlantiks die letzten Vorbereitungen. Elon Musk, der reichste Mann der Welt, ist bereits mit seinem Konto auf seinem Kurzbotschaftendienst eingeloggt. Erst vor wenigen Monaten hatte der ursprünglich in Südafrika geborene Unternehmer auf der Plattform X den roten Teppich für Donald Trump ausgerollt. Dieses Mal hat der Unterstützer des designierten US-Präsidenten Alice Weidel für die Gesprächsrunde auserkoren.

Eine Fake-News-Schlacht: Rechte Verschwörungsideologien werden salonfähig

Rund 75 Minuten lang sprechen Weidel und Musk im "Gespräch mit dem nächsten deutschen Regierungschef", wie der Milliardär es nennt, über das Weltgeschehen und deutsche sowie US-amerikanische Innenpolitik. Bei der Live-Konversation machen sie durchgängig Falschnachrichten, Verschwörungstheorien und rechtsextreme Ideologien salonfähig.

Als Erstes tritt Musk der englischsprachigen Unterhaltung, der zwischenzeitlich mehr als 200.000 Hörer lauschen, bei – dann die deutsche Politikerin. "Elon, danke für die Einladung", sagt Weidel. Darauf bittet der Milliardär die AfD-Chefin erst einmal um eine kurze Vorstellung. "Bitte erklären Sie, was die AfD genau ist", sagt Musk. "Viele werden die Partei noch nicht kennen."

Kritiker sehen im Gespräch zwischen Musk und Weidel eine versteckte Wahlkampfspende, weil der US-Unternehmer gleichzeitig Inhaber der Plattform X ist.
Kritiker sehen im Gespräch zwischen Musk und Weidel eine versteckte Wahlkampfspende, weil der US-Unternehmer gleichzeitig Inhaber der Plattform X ist. © IMAGO/Andreas Haas (www.imago-images.de)

"Die AfD ist eine relativ neue Partei, die vor elf Jahren, als es Probleme mit dem Euro gab, gegründet wurde", antwortet die Rechtspopulistin. Wenige Augenblicke später ist Weidel bereits bei ihren politischen Forderungen angekommen: einen Kurswechsel in der deutschen Energie- und die Flüchtlingspolitik. "Es ist ein wunderschönes Land, aber es wird nicht so regiert, wie es sein müsste", stellt die Politikerin fest.

AfD-Chefin wirkt am Anfang des Gesprächs angespannt

Weidel erscheint eingangs unsicher, spricht teilweise eher gebrochenes Englisch. Trotzdem schafft sie es, sich an ihren rechten Erzählungen abzuarbeiten. Vor allem mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel geht die Rechtspopulistin hart ins Gericht. Sie bezeichnet die CDU-Politikerin fälschlicherweise als "erste grüne Kanzlerin", die ihrer Meinung nach Deutschland "zerstört" habe.

Quelle allen Übels sind laut Weidel vor allem energiepolitische Entscheidungen wie die Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland. Man könne ein "industrielles Land nicht nur mit Wind und Solar laufen lassen", prangert sie an. Dabei ist sie mit Musk in ihrer Analyse offenkundig nicht auf einer Linie: "Ich bin ein Fan von Solar", entgegnet der Unternehmer. "Es muss aber zusätzliche Energiequellen geben."

Weidel hält sich zurück, will Musk wohl nicht direkt auf die Füße treten. Immerhin ist für die Chefin der Rechtspopulisten der Draht zur republikanischen Führungsriege in den USA von entscheidender Bedeutung. Nachdem sich Rechtsextremisten in Europa – darunter die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und die französische Politikerin Marine Le Pen – von der AfD abgewandt haben, ist Weidel wohl auf der Suche nach neuen Allianzen im rechten Spektrum.

Trotz anti-amerikanischer Grundhaltung der AfD: Weidel nähert sich US-Milliardär Musk an

Was die AfD-Chefin dann feststellt, dürfte Musk schon besser gefallen: Die AfD sei gar keine rechtsextreme, sondern eine libertär-konservative Partei. Das passt dem reichsten Mann der Welt, der mit seinen Ideologien unter anderem an den anarchokapitalistischen argentinischen Präsidenten Javier Milei andockt, ins Bild. Sein Ziel: Den Staat massiv entschlacken, einen Großteil der Gesetze und Steuern abschaffen.

Der Geschäftsmann Elon Musk besucht einen republikanischen Abgeordneten im Kapitol in Washington.
Der Geschäftsmann Elon Musk besucht einen republikanischen Abgeordneten im Kapitol in Washington. © IMAGO/Tom Williams (www.imago-images.de)

Weidels Verortung ihrer eigenen Partei ist jedoch unzureichend. Auch wenn durchaus Schnittmengen zwischen AfD-Anhängern und libertären Kräften bestehen, gibt es in der AfD einen großen anti-amerikanischen Kern, der sich eher Russland als den Vereinigten Staaten zugeneigt fühlt. Einzelne Funktionäre wie Maximilian Krah und Petr Bystron stehen sogar im Verdacht, mit dem Kreml in Verbindung stehende Gelder erhalten zu haben.

Keine Faktengrundlagen: Musk und Weidel im Lach-Rausch

Im Laufe des Gesprächs droht die Konversation immer wieder einzuschlafen. Weidel wiederholt sich, bedankt sich nochmals für das Gespräch. "Zum ersten Mal kann ich hier frei reden – ohne unterbrochen zu werden", sagt sie und kritisiert damit indirekt die Medienlandschaft in Deutschland. Doch was die Politikerin dabei verschweigt: Sie befindet sich auf X in keinem Format mit journalistischem Anspruch. Musk nimmt keine kritischen Positionen ein und bestätigt die AfD-Chefin. Unzählige Male lachen die beiden, hinterfragen sich aber nicht gegenseitig.

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So kann Weidel unter anderem ungehindert verbreiten, dass "die Menschen für einen kaputten Staat" arbeiten. Die Steuern und Sozialausgaben seien zu hoch, im Bildungssystem gebe es eine "sozialistische Agenda". Ohne jede Faktengrundlage lässt Musk die AfD-Chefin behaupten: "Unsere Kinder lernen nichts. Die beschäftigen sich mit Gendern."

Der Chef des Raumfahrt- und Telekommunikationsunternehmens SpaceX springt ihr in diesem Punkt sogar zur Seite: "Ich dachte, Deutschland hat ein gutes Bildungssystem", wirft er ein. "Doch das Woke-Virus scheint sich auszubreiten." Mit dem Begriff "Woke" meint er ein zu sensibles Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus.

Musk gibt erneut Wahlempfehlung ab

Gleicher Meinung sind die beiden ebenso, sobald es um die Flüchtlingskrise geht. Weidel und Musk überbieten sich hierbei nahezu mit Falschaussagen. "Die letzte Regierung hat beschlossen, dass jeder Flüchtling kommen kann, ins Sozialsystem einwandert und später nicht mehr deportiert werden kann", so Weidel. Musk stimmt zu und behauptet ohne Belege, dass Geflüchtete in Kalifornien "legal stehlen" können.

Dann macht Musk Werbung für die AfD, wie bereits in den vergangenen Wochen auf X und in einem umstrittenen Gastbeitrag in der "Welt am Sonntag": "Nur die AfD kann Deutschland retten. Ende der Geschichte", sagt er und mischt sich damit erneut in den deutschen Wahlkampf ein.

Der reichste Mann der Welt – mit seinem Vermögen in Höhe von mehr als 415 Milliarden US-Dollar – fährt nicht zum ersten Mal eine derartige Einmischungsstrategie. Auch im Vereinigten Königreich unterstützt er die rechtsextreme Partei "Reform UK" und will dieser Spenden zukommen lassen.

Ist die AfD rechtsextrem? Für Alice Weidel war Adolf Hitler ein Kommunist

Weder die britische Partei noch die AfD sind für Musk rechtsextrem. Nazi-Vorwürfe seien völlig fehl am Platz, meint Weidel. Denn für sie waren Nationalsozialisten im Dritten Reich ohnehin "Kommunisten". "Der größte Fehler war, Hitler als rechts darzustellen", so die Spitzenkandidatin.

Die AfD-Chefin Alice Weidel bezeichnet ihre Partei unzureichend als "libertär-konservativ".
Die AfD-Chefin Alice Weidel bezeichnet ihre Partei unzureichend als "libertär-konservativ". © IMAGO (www.imago-images.de)

Damit bedient sich die Politikerin einem beliebten Narrativ von Rechtsextremisten, die Nazis im linken Spektrum verorten. Fakt ist: Im Dritten Reich definierte das Nazi-Regime einen ethnischen Volksbegriff. Wer davon kein Teil war, wurde als "minderwertiger Mensch" angesehen. Rund sechs Millionen Menschen jüdischen Glaubens wurden unter anderem aufgrund von Rassentheorien im Holocaust ermordet.  Auch Kommunisten wurden verfolgt.

Auf die AfD könnten sich Juden allerdings Weidel zufolge verlassen. Die Parteichefin lügt und sagt, dass die AfD der einzige "Schutzgarant" für diese Bevölkerungsgruppe sei. "Alle anderen haben genau das Gegenteil gemacht und Millionen von Menschen hereingelassen."

"Ich weiß nicht mehr, wie wir weitermachen sollen"

Ab diesem Zeitpunkt nimmt der Gesprächsanteil von Musk immer mehr zu – auch, weil Weidel an vielen Stellen nicht mehr viel beizusteuern hat. "Gibt es noch andere Themen, die die Leute interessieren könnten?", fragt der gelangweilt wirkende Milliardär. Weidel fragt nach kurzem Innehalten nach dem künftigen politischen Kurs in den USA. Musk will jedoch nicht für Präsident Trump sprechen, deshalb verliert sich das Gespräch in seinen Weltraumprojekten.

Dann ist die Luft endgültig raus. Die AfD-Chefin gesteht ein: "Ich weiß nicht mehr, wie wir weitermachen sollen", sagt sie. "Es war wundervoll, deine Visionen zu hören." Beide lachen nochmals kurz und verabschieden sich.

Großer Shitstorm in den Sozialen Medien bricht aus

Zeitgleich zieht im Internet bereits ein großer Shitstorm auf. Zahlreiche durch eine Künstliche Intelligenz kreierte Bilder machen die Runde. Sie zeigen Musk und Weidel, Hände haltend, mit Sonnenbrillen nebeneinander. Auf anderen Fotos schweben sie nebeneinander durch das Weltall oder stehen lachend auf einem Wolkenkratzer im Superhelden-Outfit.

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Letztlich haben beide ihr vermeintliches Ziel erreicht. Die Rechtspopulisten haben sich öffentlichkeitswirksam verbündet. Jetzt stehen sie weltweit im Rampenlicht. Was jedoch unterm Strich für die Hörer des Gesprächs auf X bleibt: viel Tamtam um nichts.

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  • Der wahre tscharlie am 10.01.2025 19:08 Uhr / Bewertung:

    Was für ein wirres Gespräch!
    Fake-News, Verschwörungstheorien das am Ende in Weidels Aussage gipfelte, A.H. war ein Kommunist.
    Und Musk lacht sich wieder kringelig, weil alle Medien darüber berichten.
    Wenn die Welt in Zukunft von solchen Wirrköpfen regiert wird, ist die Menschheitam Ende.

    Wo sind all die Intellektuellen, die in Deutschland etwas zu sagen hätten?
    Waren das noch Zeiten, als sich Heinrich Böll, Günter Grass, Joseph Beuyss der der legendäre und von mir hochgeschätzte Walther jens zu Wort meldeten.

    Heute meldet sich jeder zu Wort, der halbwegs einen Sozial Media Account einrichten kann, und meint, weil er soundsoviel Follower hat, gehört ihm die Welt.

  • ......kann mich mal am 12.01.2025 09:25 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    intellektuell - sie bestimmt nicht.

  • Der wahre tscharlie am 12.01.2025 16:05 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von ......kann mich mal

    Tssss.....das man immer gleich persönlich werden muß.....ich habe lediglich eine Frage gestellt.

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