Müntefering und Steinmeier neues SPD-Spitzenduo

Berlin (dpa) - Mit ihrem neuen Führungsduo setzt die SPD nach monatelanger Dauerkrise bei der Bundestagswahl in knapp einem Jahr auf Sieg.
Der am Samstag auch offiziell gekürte Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und der neue Parteichef Franz Müntefering erhoben auf dem Sonderparteitag in Berlin den Anspruch, 2009 wieder den Kanzler zu stellen. Voraussetzung sei, dass die Partei ihren Flügelstreit unverzüglich beende und disziplinierter auftrete.
Die SPD-Spitze will schon an diesem Montag weitere Weichen im Blick auf das kommende Wahljahr stellen. Auf Vorschlag Münteferings soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa die Arbeit der SPD-Zentrale durch veränderte Zuschnitte und Umbesetzungen neu organisiert werden.
Nach einer begeistert aufgenommenen Rede wurde Steinmeier am Samstag von den gut 500 Delegierten mit 95,13 Prozent zum Herausforderer von Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewählt. Der Außenminister und Vizekanzler bekam 469 von 493 gültigen Stimmen. 15 Delegierte stimmten mit Nein, 9 enthielten sich. Müntefering kam bei seiner zweiten Wahl zum SPD-Chef auf knapp 85 Zustimmung - zehn Punkte weniger als bei seinem ersten Anlauf vor mehr als vier Jahren.
Der 68-Jährige zeigte sich trotz der relativ hohen Zahl von 50 Nein-Stimmen zufrieden. Er führte das Abschneiden auch auf den Umgang mit seinem zurückgetretenen Vorgänger Kurt Beck zurück. Dies habe bei vielen Mitgliedern Irritationen ausgelöst, sagte Müntefering am Sonntag im MDR. Beck war nicht zum Parteitag gekommen - er nahm am Samstag an einer Beerdigung an seinem pfälzischen Wohnort teil.
In seinem 88-minütigen Auftritt vor dem Parteitag, der im Zeichen der internationalen Finanzkrise stand, erklärte Steinmeier den Streit über die Ausrichtung der SPD für beendet: «Wenn es drauf ankommt, dann sind wir eine Partei, und das muss so bleiben», forderte der 52- Jährige vor den 2000 Gästen, darunter die früheren SPD-Kanzler Helmut Schmidt und Gerhard Schröder. Im Blick auf 2009 rief Steinmeier den Parteifreunden zu: «Weg mit dem Kleinmut, zeigt Zuversicht und Selbstbewusstsein. Schließt die Reihen.» Sechs Wochen nach Einleitung des Führungswechsels habe sich die SPD untergehakt und sei wieder voll im Spiel: «Und wir glauben an uns. Das macht uns stark.»
Der Union warf Steinmeier einen «Zickzack-Kurs» vor. Sie zeige «viel Taktik, aber wenig Kompass». Das Jahr 2008 werde wegen der Finanzkrise in die Geschichtsbücher eingehen. «Jeder spürt es: Wir stehen am Anfang einer neuen Zeit. Die Herrschaft einer marktradikalen Ideologie, begonnen mit Margaret Thatcher und Ronald Reagan, ist mit einem lauten Knall zu Ende gegangen.» Mit strengeren Regeln für die Finanzbranche sei es nicht getan - notwendig sei ein umfassender Neuanfang: « Wir können jetzt die Regeln des Miteinanders in unserer Gesellschaft neu bestimmen.»
Das Rettungspaket der Bundesregierung für die Banken nannte der Kanzlerkandidat «eine Nothilfe und kein Geschenk» für die Finanzinstitute. Folgen müsse angesichts der abflauenden Konjunktur nun ein «Schutzschirm» für Arbeitsplätze. An Sozialleistungen, Kündigungsschutz und Mitbestimmung lasse die SPD nicht rütteln. Mindestlöhne in weiteren Branchen seien gerade jetzt unverzichtbar.
Steinmeier, der nach seinem Auftritt mehr als sechs Minuten gefeiert wurde, plädierte für ein zusätzliches Konjunkturpaket mit mehr Fördermitteln für Gebäudesanierung und erleichterten Kredite für Mittelstand und Handwerk. Klar grenzte er sich von der Linkspartei ab. Mit ihr werde es nach der Bundestagswahl keine Zusammenarbeit geben. Die Linke sei «schlicht und einfach nicht regierungsfähig». Müntefering sagte im ZDF zu Spekulationen über Rot-Rot: «Wir halten das Wort. (...) Im Bund definitiv: Nein, keine Zusammenarbeit.»
Nach Münteferings Worten «ist die Zeit reif», Deutschland wieder sozialdemokratisch zu gestalten: «Die anderen haben Bundeskanzlerin Angela Merkel, aber nicht die politische Meinungsführerschaft.» Die schönsten Ideen sei wenig wert, wenn sie nicht in der Regierung verwirklicht werden könnten: «Deshalb ist es die Pflicht der Sozialdemokraten, mit hochkrempelten Armen hinauszugehen, um die Bundestagswahl zu gewinnen.»
Müntefering lobte wie Steinmeier unter dem Jubel der Delegierten Bundesfinanzminister Peer Steinbrück wegen seines Kriseneinsatzes während der Finanz-Turbulenzen. Der SPD-Chef schlug den Europapolitiker Martin Schulz als Nachfolger für den ausscheidenden EU-Kommissar Günter Verheugen vor. Auf diesen Posten hat allerdings auch die Union Anspruch erhoben. Mit knapper Mehrheit wurde die Behandlung eines Antrags von SPD-Linken mit dem Ziel verhindert, die Bahn-Teilprivatisierung endgültig abzublasen.
Die Union nannte die Botschaft des SPD-Kongresses «dürftig». Enttäuschend sei auch, dass die neue Spitze nichts gegen die geplante «Wortbruch-Koalition» in Hessen unternehme, sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. «Ich freue mich auf die kollegiale Zusammenarbeit», gratulierte FDP-Chef Guido Westerwelle dem neuen SPD-Vorsitzenden Müntefering. Die Gemeinsamkeit der Demokraten müsse «größer sein als jeder politisch Unterschied».