Münte vor dem Comeback?
Franz Müntefering will sich nach dem Tod seiner Frau wieder bei der SPD einmischen – das stößt nicht überall in der Partei auf Jubel. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.
BERLIN 20 bis 25 Prozent: Auf diesen Stimmenanteil würde die SPD bekommen, wenn jetzt Bundestagswahlen anstünden. Ein katastrophales Arbeitszeugnis für Parteichef Kurt Beck. Der Flirt seiner Parteifreundin Andrea Ypsilanti mit der Linkspartei droht sogar den Fahrplan für die Kanzlerkandidaten-Kür zu kippen. Auf dem Höhepunkt der Krise meldet sich jetzt Franz Müntefering zurück: Er will wieder an vorderster Front mitkämpfen. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.
Was will Müntefering?
Im November des vergangenen Jahres war er als Vizekanzler und Arbeitsminister zurückgetreten, weil er sich um seine schwer krebskranke Frau Ankepetra kümmern wollte. Seine Arbeit als Bundestagsabgeordneter nahm er seitdem noch wahr, schaltete sich jedoch kaum ins politische Tagesgeschäft ein. Ende Juli war seine Frau gestorben. Jetzt will er den Kurs der SPD wieder mitbestimmen, berichten nordrhein-westfälische Parlamentarier. Der Grund: Münte sei unzufrieden mit der Arbeit von Parteichef Beck, der seiner Meinung nach Ypsilanti zu freie Hand gelassen habe.
Welches Amt kommt für Müntefering in Frage?
Manche Sozis träumen schon davon, dass er den glücklosen Parteichef Kurt Beck ersetzt. Doch dafür ist auch Müntefering zu umstritten bei den Genossen, gilt er doch als Mann der umstrittenen Agenda 2010 vom rechten Parteiflügel. Eher vorstellbar scheint führenden Sozialdemokraten, dass Münte den obersten Wahlkampforganisator für die Bundestagswahlen 2009 macht. Diesen Posten hatte er schon einmal inne: 1998, als Gerhard Schröder Kanzler wurde.
Wie reagiert die SPD auf die Causa Müntefering?
Seine Freunde jubilieren: SPD-Innenausschusschef Sebastian Edathy hofft, Münte könne „einen Beitrag dazu leisten, das Stimmungstief der SPD zu überwinden“. Rechtsexperte Klaus Uwe Benneter: „Er wird uns klar machen, dass wir keinen Grund haben, die Flinte ins Korn zu werfen.“ Der Sprecher der konservativen Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, findet: „Er ist für die Partei eine Integrationsfigur und für viele Wähler einfach unverzichtbar.“
Was sagen seine Gegner?
Vor allem der linke Parteiflügel ist gar nicht begeistert: „Der Respekt vor Franz Münteferings Lebensleistung verbietet es, ihn aus taktischen Gründen gegen andere Mitglieder der Parteiführung in Position zu bringen“, sagt Schleswig-Holsteins linker SPD-Chef Ralf Stegner. Dass er Müntefering von neuen Karriere-Plänen abrät, versteckt Stegner elegant: „Es wäre zu begrüßen, wenn sich Franz Müntefering wieder stärker in der SPD engagieren würde. Ich weiß aber nicht, ob er das nach dem schweren Schicksalsschlag, den er zu verkraften hat, überhaupt will.“ Münteferings Gegner haben schon vorgesorgt und ihn für das Amt des Chefs der parteinahen Friedrich-Ebert-Stiftung ins Gespräch gebracht. Der Plan: Auf dem ruhigen Pöstchen soll Münte kaltgestellt werden.
Was hat das Chaos in Hessen mit der Kanzlerkandidatur zu tun?
Sehr viel: Eigentlich wollte Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der unter führenden Sozis als der sichere Kandidat gilt, mit einer Themenoffensive in den Wahlkampf starten. Doch jetzt droht eine quälend lange Debatte über das Verhältnis der SPD zur Linkspartei. Geht Ypsilantis Experiment schief, stehen auch Beck und Steinmeier dumm da. Beck will noch in diesem Jahr über die Kandidaten-Frage entscheiden. Aus dem Steinmeier-Lager ist zu vernehmen, dass er im Falle des Super-Gaus in Hessen dann doch lieber Kurt Beck den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur lassen würde. Eins ist also sicher: Das Chaos bei der SPD geht weiter. vth