Bis zu 300 Euro pro Tonne: So könnte sich der CO₂-Preis entwickeln

Ab 2027 soll das Klima-Instrument CO₂-Preis in den EU-Markt integriert werden. Wird der aber nicht gedeckelt, könnten die Preise explodieren. Wie die Zukunft des CO₂-Preises in Deutschland aussieht, erklärt ein Münchner Ökonom in der AZ.
von  Lisa Marie Albrecht
Durch einen höheren CO₂-Preis wird auch das Tanken teurer.
Durch einen höheren CO₂-Preis wird auch das Tanken teurer. © IMAGO/Arnulf Hettrich

München – Im Moment ist er noch bundespolitisch vorgegeben: Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland zahlen seit 2025 einen CO2-Preis von 55 Euro pro Tonne. 2026 wird er wohl auf maximal 65 Euro pro Tonne ansteigen. Und dann?

Ab 2027 steigt Deutschland in das auf EU-Ebene beschlossene Emissionshandelssystem ETS II ein – dazu hat sich auch die künftige schwarz-rote Koalition in ihrem Koalitionsvertrag klar bekannt. Das europäische Modell sieht grundsätzlich vor, dass der CO2-Preis in den Bereichen Gebäude und Verkehr von Angebot und Nachfrage bestimmt wird. Erdgas und Kraftstoffe könnten dadurch teurer werden, Verbraucher müssten mit höheren Heiz- und Tankkosten rechnen.

CO₂-Preis: Bis zu 300 Euro pro Tonne

Das Markt-Modell sähe dann so aus: Wenn es viel Nachfrage nach CO2-Zertifikaten gibt, steigt der Preis, werden weniger Zertifikate benötigt, sinkt er. Da allerdings noch immer viele Deutsche Verbrenner fahren und mit Gas oder Öl heizen, wäre eher von einem Anstieg auszugehen.

Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) veröffentlichte Anfang April eine Analyse, der zufolge die CO2-Preise mit dem neuen EU-Emissionshandelssystem bereits 2027 auf mehr als 160 Euro pro Tonne steigen könnten. Bis 2035 würde der Preis auf mehr als 200 Euro pro Tonne hochschnellen. In anderen Studien reichen die Schätzungen von 100 bis 300 Euro pro Tonne.

Trotz dieser für Verbraucher eher düsteren Prognosen hat sich die schwarz-rote Koalition gegen ein Klimageld entschieden. Diese pauschale Auszahlung, mit der jeder Bürger einen Ausgleich für den steigenden CO2-Preis erhalten sollte, ist im Koalitionsvertrag nicht mehr vorgesehen.

LMU-Professor Klaus Schmidt. Der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie ist Co-Autor einer Studie der LMU München von 2024, die sich mit verschiedenen Modellen der CO₂-Bepreisung beschäftigte.
LMU-Professor Klaus Schmidt. Der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie ist Co-Autor einer Studie der LMU München von 2024, die sich mit verschiedenen Modellen der CO₂-Bepreisung beschäftigte.

Ein Fehler, sagt der LMU-Professor Klaus Schmidt der AZ. Der Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie ist Co-Autor einer Studie der LMU München von 2024, die sich mit verschiedenen Modellen der CO2-Bepreisung beschäftigte. Das Fazit: Die höchste Zustimmung (mehr als 73 Prozent) erhielt eine CO2-Bepreisung unter den 1000 Befragten dann, wenn sie mit einer für alle gleichen pauschalen Zahlung kombiniert würde, von den Forschenden "Klimaprämie" genannt.

Befürchtung Vieler: CO₂-Preis ist versteckte Steuererhöhung

Im Moment werde der CO2-Preis von vielen als eine versteckte Steuererhöhung gesehen, um die Staatskasse zu füllen – und das kommt bei den Bürgern nicht gut an, wie die LMU-Studie zeigt. Nur 47,3 Prozent der Teilnehmenden stimmten einem Modell zu, bei dem die Einnahmen durch den CO2-Preis in den allgemeinen Staatshaushalt fließen – die niedrigste Akzeptanz aller fünf vorgestellten Modelle.

Bald-Kanzler Friedrich Merz (CDU) will die Mehrbelastung für private Haushalte vor allem durch eine Abschaffung der Gasspeicherumlage, die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß sowie eine spürbare Absenkung der Netzentgelte erreichen. Schmidt räumt ein, dass auch das zu einer Entlastung der Haushalte führe. "Der große Nachteil ist, dass es nicht in Zusammenhang mit der CO2-Bepreisung gesehen wird."

LMU-Ökonom: Politische Unsicherheit sei enorm groß

Die Menschen würden sich zwar einmal über den sinkenden Strompreis freuen, aber eben nicht einen direkten Bezug zur CO2-Bepreisung sehen. "Wenn es irgendwie möglich wäre, das ganz transparent zu machen, wäre es sehr viel besser", so Schmidt.

Vor allem aber sei es wichtig, den Menschen eine klare Perspektive zu bieten. Die politische Unsicherheit sei enorm groß: Niemand wisse, wie hoch der CO2-Preis in zehn Jahren sei, ob sich die EU vielleicht doch noch vom "Green Deal" verabschiede oder das Verbrennerverbot wieder aufgehoben würde. Das macht es Verbrauchern laut Schmidt schwer, vernünftige Investitionsentscheidungen etwa für ein E-Auto oder eine Wärmepumpe zu treffen.

EU-Plan: Maximal 60 Euro pro Tonne

Hoffnung in Sachen Benzin- und Heizkosten macht, dass die EU offenbar auch aktiv auf die Höhe des CO2-Preises einwirken will: "Bild" berichtete unter Berufung auf eine interne Mail der EU-Kommission, dass der europäische CO2-Preis 2027 bei 30 Euro pro Tonne starten und bis 2030 auf lediglich 60 Euro pro Tonne ansteigen soll.

Die EU-Kommission bestätigte demnach, interne Modellrechnungen hätten einen Preis von 60 Euro bis 2030 ergeben. Damit läge der CO2-Preis sogar unter dem Niveau, das Deutschland bereits 2026 erreichen soll – Verbraucherinnen und Verbraucher würden entlastet.

Fraglich ist jedoch, inwieweit ein so niedrig angesetzter CO2-Preis echte Anreize setzt, auf klimafreundlichere Alternativen umzustellen.

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