Münchner Neonazi verhöhnt Passauer Polizeichef

Alois Mannichl habe den Mordanschlag „provoziert“, sagt der stadtbekannte Neonazi Philipp Hasselbach. Im Internet lässt er seine Freude über den "missglückten Mordversuch" an dem Passauer Polizeichef durchblicken. Die Fahnder nehmen jetzt die Münchner Neonazi-Gruppe "Freie Nationalisten" ins Visier.
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Soll Weihnachten nach Hause kommen: Alois Mannichl.
dpa Soll Weihnachten nach Hause kommen: Alois Mannichl.

MÜNCHEN - Alois Mannichl habe den Mordanschlag „provoziert“, sagt der stadtbekannte Neonazi Philipp Hasselbach. Im Internet lässt er seine Freude über den "missglückten Mordversuch" an dem Passauer Polizeichef durchblicken. Die Fahnder nehmen jetzt die Münchner Neonazi-Gruppe "Freie Nationalisten" ins Visier.

Nach dem Attentat auf Passaus Polizeichef Alois Mannichl fahndet die Polizei in Deutschland und Österreich nach dem Täter. Von ihm gibt es zwei Beschreibungen, die sich ähneln: Eine Zeugin sah einen Mann, 30 bis 40, große, kräftige Figur, bulliger Nacken, Glatze, und als Tatoo eine grüne Schlange mit roter Zunge hinter dem Ohr, zusammen mit der Münchnerin Sabrina H. am Tattag in Fürstenzell. Er war bekleidet mit schwarzer Fliegerjacke und kreisrundem Abzeichen am Ärmel.

Mannichl berichtet von einem 25 bis 35 Jahre alten Mann, rundes, volles Gesicht, Glatze, links oder rechts am Hals eine Tätowierung oder ein Muttermal, dunkel gekleidet, vermutlich mit einer Bomberjacke. Er sprach Bayerisch mit österreichischem Einschlag. Bislang gingen 20 Hinweise aus der Bevölkerung ein. Ein Phantombild des Täters gibt es noch nicht.

Ein Alibi für die Kameraden

Die Münchner Neonazis Sabrina und Manuel H. (33) sind noch in Haft. Die Staatsanwaltschaft hält das Ehepaar, das der Münchner rechtsextremen Organisation „Freie Nationalisten“ (siehe unten) angehört, für Mittäter. Sie bestreiten das – die Ermittler hätten ihre Angaben aber zum Teil widerlegen können.

Ein dritter „Freier Nationalist“, Philipp Hasselbach, ist wieder frei. Die Passauer Polizei hatte den Anführer der Münchner Gruppe Dienstagabend in seiner Wohnung festgenommen. Er hatte Sabrina und Manuel H. für die Tatzeit ein Alibi gegeben: Laut Hasselbach waren sie Samstag gegen 18 Uhr zu dritt von München aus mit seinem Wagen auf die Weihnachtsfeier der „Freien Kräfte Erding“ gefahren. Somit habe das Ehepaar die Tat in Fürstenzell um 17.30 Uhr nicht begehen können.

Auf der Homepage der Gruppe verhöhnt der Neonazi den Polizeichef – und schildert ihn als Intimfeind der Gruppe: Alois Mannichl habe den „mißglückten Mordversuch“ provoziert. „Mitleidsbekundungen sind von unserer Seite nicht zu erwarten.“ Der Polizeichef habe „nationale Deutsche“ drangsaliert – er meint damit die Beerdigung des Neonazis Friedhelm Busse in Passau am 26. Juli 2008. Manuel H. aus München war dort. Der Hamburger Neonazi Thomas Wulff legte die Reichskriegsflagge auf den Sarg. Mannichl nahm ihn fest und beschlagnahmte die Flagge.

Ein Verfahren droht auch der NPD: Die Ministerpräsidenten der Länder trafen sich gestern mit Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel – Thema: Ein neuer Anlauf zum Verbot der Partei.

"Freie Nationalisten": die braunen Wölfe

In München sind die Freien Nationalisten nur wenige von vielen: Zwei- bis dreihundert Rechtsextreme gibt es laut Staatsschutz insgesamt in München. Sie sind in Parteien, autonomen Gruppen und Kameradschaften organisiert. Eine Struktur, einen Kopf, gibt es aber nicht – ein loser brauner Verbund von Gleichgesinnten. „Es gibt einen inneren Kreis von rund 30 bis 50 Leuten“, sagt Kriminalhauptkommissar Konrad Raab vom Staatsschutz der Münchner Polizei. „Sie alle kennen sich. Ob sie sich mögen, weiß ich nicht. Ihr Ziel aber eint sie.“

Zu den führenden Münchner Köpfen zählt Raab den Neonazi Norman Bordin, NPD-Bezirkschef Roland Wuttke und den Stadtrat der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ (BIA), Karl Richter – laut Raab ist die BIA eine „NPD-nahe“ Partei. Immer wieder organisiert der innere Kreis Demonstrationen, „Erlebniswochenenden“ oder Konzerte, etwa mit der international auftretenden Münchner Band „Die Feldherren“. Dazu treffen sie sich in Wohnungen oder am Stammtisch, je nachdem, wo ein Wirt sie toleriert. Laut Raab war die Kneipe „Fan Arena“ am Hauptbahnhof so ein Treffpunkt – bis die Polizei ihn auflöste. „Seitdem sind die Treffen zurückgegangen.“

Nach außen harmlos, nach innen radikal

Der NPD steht eine andere Gruppierung gegenüber - die „Freien Nationalisten“, eine Gruppe von rund 20 bis 30 Rechtsextremen. Zwei ihrer Mitglieder, das Ehepaar Sabrina (22) und Manuel H. (33), sitzen derzeit in Untersuchungshaft im Fall des Mordversuchs auf den Passauer Polizeipräsidenten Alois Mannichl. Vorwurf: Beihilfe zum versuchten Mord.

Einer der Anführer ist Philipp Hasselbach. Der 21-Jährige begann seine rechte Karriere 2003 in Essen, taucht aber Februar 2006 als Landesvorstand der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“ (JN) auf. Ende April 2006 wird er gemeinsam mit den beiden anderen Vorständen Mike N. und Hayo K. wegen „finanzieller Misswirtschaft“ abgesägt – Norman Bordin übernimmt den JN-Landesvorsitz.

Die drei Geschassten gründen daraufhin die „Autonomen Nationalisten“. Diese Gruppe hat nach Angaben des Bundeskriminalamts bundesweit über 400 Mitglieder und gilt als militant. Viele vermuten in ihren Reihen auch den Messerstecher von Passau. Hasselbach leitet die Münchner Außenstelle – die Freien Nationalisten. „Auf die schauen wir besonders“, sagt Konrad Raab der AZ.

Die Gruppe gilt als "besonders radikal und militant"

Auch Marcus Buschmüller hat ein Auge auf sie geworfen. Der Vorsitzende der „Antifaschistischen Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München“, kurz: „Aida“, hält die Freien Nationalisten für den aktivsten Teil in München und für „besonders radikal und militant“. Hasselbach sieht er als „selbst ernannten Anführer“.

Nach außen hin gibt sich die Gruppe relativ harmlos: „Sie tragen coole Klamotten, die eher an die Mode linker Autonomer erinnern“, sagt Buschmüller – keine Glatzen, keine Springerstiefel, keine dumpfen Gröl-Parolen. „Sie benutzen für ihre Traktate auch keine altdeutsche Schrift, sondern moderne Zeichen. Bei Veranstaltungen spielen sie keine Märsche oder Rechtsrock, sondern Deutsch-Pop wie die der Band „Die Ärzte’“. Hinter der lockeren Fassade verberge sich aber „Nationalsozialismus pur“, sagt Buschmüller. „Sie sind bereit, aggressiv gegen Polizei und politische Gegner vorzugehen.“ Auch gegen Mannichl?

Dass die „Freien Nationalisten“ nicht zimperlich sind, sieht man an ihrer Homepage: Sie fordern eine „nationale Revolution“. Um die herbeiführen zu können, benötigten sie „keine Schafe“, steht da weiter. „Sondern Wölfe“.

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