Monti präsentiert neue Regierung – Papademos erhält Vertrauen

Mit einem Kabinett aus Fachleuten will Mario Monti in Rom neues Vertrauen schaffen. Italien und Griechenland könnten sich berappeln, aber werden sich auch die Finanzmärkte beruhigen? Kanzlerin Merkel drängt zur Eile bei der Euro-Rettung.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Rom/Athen/Berlin Straßburg – Weitere Schritte im Kampf gegen
die Krise: In Rom wurde Mario Montis Regierung aus Fachleuten
vereidigt, in Athen erhielt der neue Premier Lucas Papademos am Abend
das Vertrauen des Parlaments. An den Märkten für Staatsanleihen
beruhigte sich die Lage am Mittwoch wieder etwas, dennoch blicken
Experten mit großer Sorge auf eine drohende Ausweitung der Krise auf
bisher solide Staaten wie Frankreich. Bundeskanzlerin Angela Merkel will daher
schnell die nächsten Etappen der Stabilisierung angehen.

In Italien steht seit Mittwochnachmittag eine Notregierung.
Staatspräsident Giorgio Napolitano vereidigte die neue Regierung,
nachdem der parteilose frühere EU-Kommissar Monti sein Team mit
Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung vorgestellt
hatte. Als erster legte der neue Premier seinen Amtseid ab. Politiker
sind entgegen früheren Überlegungen in der Notregierung nicht
vertreten. „Während der Konsultationen bin ich zu dem Schluss
gekommen, dass die Abwesenheit von Politikern der Regierung die
Arbeit erleichtert, da sie einen Grund für Befangenheit beseitigt“,
erklärte Monti, der neben dem Amt des Ministerpräsidenten auch das
Wirtschafts- und Finanzressort übernehmen will.

Sein Regierungsprogramm wolle er am Donnerstag im Senat
vorstellen, erklärte Monti. Eine Zustimmung des Parlaments zur 63.
italienischen Nachkriegsregierung spätestens am Freitag gilt als
sicher. Den 68-jährigen Wirtschaftsfachmann erwartet die schwere
Aufgabe, das Land aus der tiefen Schulden- und Wachstumskrise der
Berlusconi-Ära zu führen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) freut sich auf die
Zusammenarbeit mit Monti. „Sie schätzt ihn sehr. Er ist ein Fachmann,
der die europäischen Verhältnisse sehr gut kennt“, sagte
Regierungssprecher Steffen Seibert.

Die neue griechische Regierung unter dem Finanzexperten Papademos
erhielt am Mittwochabend das überwältigende Vertrauen des
300-köpfigen griechischen Parlamentes. Für den 64-jährigen ehemaligen
Vizechef der Europäischen Zentralbank stimmten 255 Abgeordnete, bei
38 Gegenstimmen. Wegen geplanter Proteste gegen den Sparkurs der
neuen Regierung hatte die Polizei in Athen ein Großaufgebot
zusammengezogen. Auch für Donnerstag wurden Aktionen erwartet.

Papademos reist am kommenden Montag (21.11.) zu Beratungen nach
Brüssel. Griechenland muss die Auflagen der internationalen Helfer
erfüllen, damit die nächste Milliardenrate ausgezahlt werden kann.
Ansonsten droht Mitte Dezember die Staatspleite.

Bundeskanzlerin Angela Merkel dringt auf schnelle weitere Schritte zur
Euro-Stabilisierung, um das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung zu
stärken. Bisher sei dafür noch keine ausreichende Antwort gegeben,
sagte Merkel nach einem Treffen mit Irlands Ministerpräsident Enda
Kenny in Berlin. Sie bekräftigte die Forderung Deutschlands nach
Änderungen der EU-Verträge, um eine bessere Überwachung der
Stabilitätsregeln in den Euro-Staaten zu erreichen. Nötig seien
hierfür „sehr schnelle politische Beschlüsse für mehr Europa, für
mehr Durchgriffsrechte“. Erforderlich sei auch eine rasche Einigung
auf Details zur Stärkung des Rettungsfonds EFSF, betonte Merkel. Nach
Angaben von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker könnten diese bis
zum Monatsende ausgearbeitet sein.

Die Spitzen der Europäischen Union sprachen sich am Mittwoch in
einer Debatte im EU-Parlament auch für eine gemeinsame
Wirtschaftsregierung aus. Die deutsche Forderung, rasch die Verträge
zu ändern, stieß dabei jedoch auf Kritik. „Vertragsveränderungen
brauchen Zeit und sollten nicht als unmittelbare Lösung für unsere
aktuelle Krise betrachtet werden“, sagte Kommissionspräsident José
Manuel Barroso. Die neuen Regierungschefs Monti und Papademos
bräuchten jetzt keine solche Debatte über eine Vertragsrevision,
sagte der Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Martin Schulz.

Barroso sprach sich in der Generaldebatte erneut für Eurobonds
aus, um die Angriffe der Märkte abzuwehren. Er dazu will am Mittwoch
kommender Woche (23.11) in Brüssel ein Vorschlagspapier mit Optionen
für präsentieren. Der Vorstoß ist politisch heikel, da Deutschland
und Frankreich gemeinsame Euroanleihen bisher ablehnen.

Nach einer weiteren Zuspitzung an den Anleihemärkten der Eurozone
hat sich die Lage wieder etwas entspannt. Die Risikoaufschläge zu den
deutschen Bundesanleihen gingen bei den finanziell angeschlagenen
Ländern der Eurozone zurück. Die Rendite der zehnjährigen
italienischen Anleihe fiel zwischenzeitlich um 0,22 Prozentpunkte auf
6,83 Prozent zurück. Am Dienstag waren sogar Anleihen von Ländern wie
Frankreich und Österreich, die bisher mit der höchsten Bonität
bewertet werden, teilweise massiv unter Druck geraten. Mit 3,56
Prozent lag die französische Rendite am Mittwochmittag aber immer
noch deutlich über der entsprechenden deutschen, die bei 1,78 Prozent
notierte.

„Ich bin sehr besorgt über die Situation in Europa, ich war schon
bisher sehr besorgt, und ich vermute, ich werde auch morgen, nächste
Woche und übernächste Woche sehr besorgt sein“, sagte US-Präsident
Barack Obama bei einem Besuch in der australischen Hauptstadt
Canberra. Die Verwerfungen auf den Märkten würden so lange anhalten,
bis die Führung der Eurozone glaubhaft versichere, dass sie „alles
tue, was nötig ist“, um die Gemeinschaft zu erhalten.

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.