Molotow-Cocktails für Karadzic
Die Anhänger des wegen Kriegsverbrechen angeklagten Serbenführers Karadzic haben ihren Unmut über dessen Verhaftung gewaltsam Luft gemacht. Die EU freut sich über den Fahndungs-Erfolg, Bayerns Ministerpräsident Beckstein warnt vor unüberlegten Schritten.
Nach der Verhaftung des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic haben seine Sympathisanten am Dienstagabend in der serbischen Hauptstadt Belgrad für Unruhe gesorgt. Etwa 250 meist junge Demonstranten versammelten sich trotz Verbots am Platz der Republik in der Innenstadt und griffen die Polizei mit Fackeln, Flaschen und Stühlen aus nahen Restaurants.
Einige Randalierer wurden dabei festgenommen. Der vom UN- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag wegen Gräueltaten während des Bosnien-Kriegs 1992-1995 angeklagte Karadzic war am Montagabend nach zwölfjähriger Flucht festgenommen worden. Ein serbischer Richter ordnete seine Überstellung an das UN- Kriegsverbrechertribunal in Den Haag an. Dort soll dem 63-Jährigen wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Prozess gemacht werden. Am schwersten wiegen dabei die Belagerung von Sarajevo und das Massaker von Srebrenica. Nach der Eroberung der UN- Schutzzone hatten im Juli 1995 bosnisch-serbische Soldaten fast 8000 Muslime ermordet.
Perfekte Tarnung
Karadzic hatte sich nach Darstellung der serbischen Behörden fast perfekt getarnt. Mit seinem Vollbart, der Brille und den schulterlangen weißen Haaren sei er kaum zu erkennen gewesen. Die Zeitung «Danas» berichtete, Karadzic habe in seinem Wohnviertel in Neu Belgrad oft in einem Cafe unter einem seiner alten Porträt-Fotos gesessen, ohne erkannt zu werden. Der frühere bosnische Serbenführer habe bis zuletzt unter dem Namen Dragan Dabic in einer pribaten Arztpraxis in Belgrad gearbeitet und sich dort mit «alternativer Medizin» befasst. Die Europäische Union begrüßte die Verhaftung von Karadzic, die Serbien etwas näher an die EU rückt. Die Außenminister der 27 EU- Staaten ließen bei einem Treffen am Dienstag in Brüssel jedoch offen, wann ein Abkommen über engere Zusammenarbeit offiziell in Kraft gesetzt wird. Die Außenminister forderten auch, Serbien dürfe bei der Suche nach anderen mutmaßlichen Kriegsverbrechern nicht nachlassen. «Eine Festnahme genügt nicht», sagte der französische Außenminister und derzeitige Vorsitzende des EU-Ministerrates, Bernard Kouchner, nach den Beratungen. Er bezog sich auf Ex-Serbengeneral Ratko Mladic und den früheren kroatischen Serbenführer Goran Hadzic.
Historisches Ereignis
Der frühere EU-Beauftragte für Bosnien und Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, sieht in der Verhaftung des früheren bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic ein historisches Ereignis. Die Festnahme sei lange überfällig gewesen, erst der Regierungswechsel in Serbien habe diesen Schritt möglich gemacht, sagte er der in Hannover erscheinenden Zeitung «Neue Presse». Die starke Machtposition des serbischen Präsidenten Boris Tadic habe den Ausschlag gegeben. «Man kann nur hoffen, dass er diese auch behält», sagte Schwarz-Schilling. Die Demokratisierung und Aufarbeitung der Vorfälle in Serbien werde vermutlich Jahrzehnte in Anspruch nehmen, erklärte er.
Maßvolles Vorgehen
Der bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein hat ein maßvolles Vorgehen der Europäischen Union gegenüber Belgrad angemahnt. «Ich warne vor übereilten Schritten», sagte der CSU-Politiker der Tageszeitung «Die Welt». «Zwar ist der westliche Balkan für die langfristige Stabilität der gesamten EU von zentraler Bedeutung. Wer jetzt aber einen raschen EU-Beitritt Serbiens fordert, blendet die Realitäten aus.» Serbien müsse noch einen langen Weg zurücklegen, bis es in die EU aufgenommen werden könne, sagte Beckstein. Das Land müsse wie alle potenziellen Kandidaten die Kriterien für einen EU-Beitritt strikt erfüllen. «Insbesondere muss Serbien vollständig mit dem Internationalen Strafgerichtshof kooperieren, das heißt alle noch flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrecher überstellen», sagte Beckstein. Nach dem Nein der Iren zum EU-Reformvertrag und nach der Anerkennung des Kosovo als eigener Staat müsse jeder Erweiterungsschritt genau überprüft werden. (AP, dpa)