Mönch ruft in Lhasa «Tibet ist nicht frei»
Vor ausländischen Journalisten wollte China die Rückkehr zur Normalität in Tibet inszenieren. Doch diesen Plan durchkreuzte ein Mönch, der den Besuch zum Protest nutzte.
Bei der ersten Reise ausländischer Journalisten in Tibet hat eine Gruppe buddhistischer Mönche die von der Regierung gewünschte Ruhe durchbrochen. Rund 30 Mönche protestierten am Donnerstag in Lhasa gegen die Einschränkung der Religionsfreiheit. «Tibet ist nicht frei. Tibet ist nicht frei», schrie ein junger Mönch.
Regierungsangestellte versuchten daraufhin, die 26 ausländischen Journalisten von den protestierenden Mönchen wegzudrängen. «Sie wollen, dass wir den Dalai Lama vernichten, aber das ist nicht richtig», sagte ein Mönch während des etwa 15 Minuten langen Zwischenfalls vor dem Jokhang-Tempel, einem der bedeutendsten religiösen Orte in Tibet. Die Mönche sagten, sie wüssten, dass sie wegen des Protests vermutlich verhaftet würden. «Der Dalai Lama hatte damit nichts zu tun», sagte ein Mönch in Bezug auf die gewaltsamen Unruhen vom 14. März. Peking sieht im Dalai Lama den Drahtzieher, der die Proteste organisiert haben soll. Nach dem Ausbruch der Unruhen hatte die Regierung Tibet abgeriegelt sowie Touristen und ausländische Journalisten ausgewiesen. Die am Mittwoch begonnene Reise schien vor allem ein Ziel zu haben: der Weltpresse zu zeigen, dass in Tibet wieder Ruhe eingekehrt sei. Der Protest am Jokhang Tempel duchkreuzte die Pläne der akribisch organisierten Reise für die ausländischen Journalisten.
Botschafter vergleicht Tibet mit Nazideutschland
Der chinesische Botschafter in Kanada, Lu Shumin, erhob unterdessen schwere Vorwürfe gegen den Dalai Lama: Er bezeichnete ihn am Mittwochabend als Lügner, der die ganze Welt betrüge. Der Dalai Lama versuche sich selbst als friedlichen Engel darzustellen, in Wirklichkeit sei er jedoch für die gewaltsamen Ausschreitungen in Tibet mitverantwortlich, sagte Lu Shumin vor Journalisten in Ottawa. Dabei schreckte der Botschafter auch nicht vor einem Vergleich mit Nazi-Deutschland zurück: Vor der chinesischen Besatzung 1959 habe Tibet dem «mittelalterlichen Europa» geähnelt. Als Beweis dafür führte er die Tibet-Reise eines Vertreters des NS-Regimes 1939 an. Dieser habe im feudalen Herrschaftssystem Tibets viele Ähnlichkeiten mit der heimischen Situation gefunden. Jede Kritik an Chinas Vorgehen gegen die tibetische Protestbewegung wies der Botschafter als unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten zurück. (AP)
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