Modell Deutschland
Es ist gerade mal neun Jahre her, da kürte das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ Deutschland zum „kranken Mann Europas“: Zu verkrustet, zu hohe Löhne, kaum Wirtschaftswachstum – so lautete das Urteil über die Bundesrepublik.
Dann kam der Euro-Boom: Die Gemeinschaftswährung bescherte Deutschland ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Aber es gab auch Kehrseiten: Durch moderate Tarifabschlüsse und Arbeitsmarktreformen sanken die Lohnstückkosten. Der Deutsche verlor an Kaufkraft – und das nicht nur daheim: Im Ausland war der Euro weniger wert, als es die D-Mark gewesen wäre. Gut für die Exporte, schlecht für die Urlaubskasse. Und: Viele deutsche Ersparnisse wurden im Ausland angelegt. Sie fehlten im Inland für Investitionen – sorgten aber für einen Boom und Kaufkraftzuwächsen auf Pump in den jetzigen Krisenstaaten.
Der Boom ist vorbei – und Deutschland nicht mehr der kranke Mann Europas. Weil unser Land so lange vom Euro profitiert hat, steht es jetzt ganz besonders in der Verantwortung – die es auch wahrnehmen sollte. Auch andere Länder, die jetzt als kranker Mann Europas gelten, können einen solchen überraschenden Wiederaufstieg schaffen – Deutschland könnte dafür als Modell dienen.