Modell Deutschland

Georg Thanscheidt, Vize-Chefredakteur der AZ, über einen möglichen Weg aus der Krise
von  Georg Thanscheidt

Es ist gerade mal neun Jahre her, da kürte das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ Deutschland zum „kranken Mann Europas“: Zu verkrustet, zu hohe Löhne, kaum Wirtschaftswachstum – so lautete das Urteil über die Bundesrepublik.

Dann kam der Euro-Boom: Die Gemeinschaftswährung bescherte Deutschland ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Aber es gab auch Kehrseiten: Durch moderate Tarifabschlüsse und Arbeitsmarktreformen sanken die Lohnstückkosten. Der Deutsche verlor an Kaufkraft – und das nicht nur daheim: Im Ausland war der Euro weniger wert, als es die D-Mark gewesen wäre. Gut für die Exporte, schlecht für die Urlaubskasse. Und: Viele deutsche Ersparnisse wurden im Ausland angelegt. Sie fehlten im Inland für Investitionen – sorgten aber für einen Boom und Kaufkraftzuwächsen auf Pump in den jetzigen Krisenstaaten.

Der Boom ist vorbei – und Deutschland nicht mehr der kranke Mann Europas. Weil unser Land so lange vom Euro profitiert hat, steht es jetzt ganz besonders in der Verantwortung – die es auch wahrnehmen sollte. Auch andere Länder, die jetzt als kranker Mann Europas gelten, können einen solchen überraschenden Wiederaufstieg schaffen – Deutschland könnte dafür als Modell dienen.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.