Mittenwald: Härter als der Dschungeltest
MITTENWALD - Rohe Leber, Rollmöpse mit Hefe, Bier in rauen Mengen: Was Soldaten wegstecken mussten.
Sie mussten rohe Schweineleber essen und in Hefe getauchte Rollmöpse, sie mussten sich vor einer Klettertour ausziehen – es klingt wie eine Dschungelprüfung bei RTL, fand aber unter bayerischen Soldaten statt. Die Gebirgsjäger von Mittenwald nehmen im aktuellen Jahresbericht des Wehrbeauftragten wieder breiten Raum ein. In Mittenwald mussten sich die Neuankömmlinge entwürdigenden Ritualen unterziehen, um dann nach Bestehen selbst in die „Chefetage“ einzuziehen. Von dort aus konnten sie sich dann selbst daran beteiligen, die nächsten Neuen mit zu drangsalieren.
Die Beschwerde eines Soldaten brachte die Zustände in der Edelweiß-Kaserne im Jahr 2009 ans Licht. Und die Empörung war groß – vor allem als klar wurde, dass diese sogenannten „Fux-Tests“ schon seit Jahrzehnten Praxis waren. Vielen war das bekannt, nur halt leider den Kommandeuren nicht. Und noch einer hat nichts mitbekommen: Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der CSU-Mann leistete Anfang der Neunziger Jahre seinen Grundwehrdienst bei den Gebirgsjägern ab und sagte später: „Ich hatte von solchen Praktiken keine Kenntnis.“
Dabei handelte es sich bei den Umtrieben im Hochgebirgsjägerzug von Mittenwald um ein durchorganisiertes System: Die neuen „Füxe“ mussten die Stube putzen, den Müll ausleeren und im Verweigerungsfall Strafe zahlen. Nach drei Monaten kam dann der „Fux-Test“: Zwei Tage lang fanden in der Freizeit die Ekelrituale statt: Die Leber und die Hefe-Rollmöpse führten dazu, dass sich die Soldaten schnell übergeben mussten, dazwischen gab es Bier bis zum Umfallen. Ähnliche Vorkommnisse wurden auch aus anderen Kasernen berichtet. Und die Mittenwalder hatten schon zuvor den Ruf, an die Grenzen zu gehen. 2006 posierten Gebirgsjäger in Afghanistan mit menschlichen Totenschädeln.
Immerhin: Die Bundeswehr reagierte und tauschte die sechsköpfige Führung ihres Hochgebirgsjägerzugs aus. Dabei allerdings blieb es auch. Zwar wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, doch deren Ermittlungen blieben folgenlos: Sie wurden ein halbes Jahr nach dem Bekanntwerden der Vorfälle eingestellt, Disziplinarmaßnahmen gab es auch keine. Denn Ekelrituale sind zwar widerlich, aber nicht strafbar, meinte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft sinngemäß: „Ein Tatnachweis zur Körperverletzung konnte nicht erbracht werden.“
mue
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