„Mit uns in Bayern nicht“: Brüssel als politischer Buhmann

Eine selbstbewusste CSU, Brüssel als Buhmann, aber auch flammende Appelle für die europäische Idee – Europa als Top-Thema beim politischen Aschermittwoch der Parteien.
von  dpa
CSU-Chef Seehofer beim politischen Aschermittwoch in Passau.
CSU-Chef Seehofer beim politischen Aschermittwoch in Passau. © dpa

Eine vor Selbstbewusstsein strotzende CSU, Brüssel als Buhmann, aber auch flammende Appelle für die europäische Idee – Europa ist zweieinhalb Monate vor der Wahl seines Parlaments das alles dominierende Thema beim politischen Aschermittwoch der Parteien.

Passau/Vilshofen - Brüssel als Buhmann, Berlin dagegen ziemlich weit weg – beim politischen Aschermittwoch haben sich die Parteien in Bayern die EU zur Brust genommen. Vor allem die Regelungswut der EU-Kommission stand beim Kräftemessen im Mittelpunkt der Kritik. Kein Wunder, dass Europa dieses Jahr Hauptthema war: In zweieinhalb Monaten wird ein neues EU-Parlament gewählt.

Nein ist das immer wiederkehrende Wort der CSU: „Nein“ zur Brüsseler Bürokratie, zum Atomstrom, zur Kohle, „Nein“ zu überflüssigen Stromtrassen, zur Zuwanderung in die Sozialsysteme, „Nein“ zum jetzigen Länderfinanzausgleich. „Mit uns in Bayern nicht“, wiederholt CSU-Chef Horst Seehofer das Leitmotiv seiner Rede so häufig, bis die 4000 Zuhörer in der Passauer Dreiländerhalle es ihm im Sprechchor nachmachen: „Mit uns in Bayern nicht.“ Seehofer ist da längst heiser.

Nur das Nein zur aktuellen Politik der Bundes-SPD fehlt bei der CSU. Denn die ist in Berlin nun Koalitionspartner. So braucht die CSU in Passau ein anderes Angriffsziel. Die bayerische SPD und die restliche weiß-blaue Opposition sind aus CSU-Sicht dafür zu unbedeutend. „Zur Bayern-SPD habe ich keine Redezeit vorgesehen“, sagt Generalsekretär Andreas Scheuer. Also wird die EU-Kommission zum Prügelknaben.

Diese Aufgabe übernimmt Brüssel-Kritiker Peter Gauweiler. Er treibt die bayerischen Schmähungen auf die Spitze: „Wenn die ganzen Kaziken in Brüssel zusammenkommen, da sind die nackten dummen Kaiser zusammen“, sagt der CSU-Vize an die Adresse der EU-Würdenträger. Die EU-Kommission nennt er eine „Flaschenmannschaft, die ganz Europa durcheinanderbringt.“ Seine Wortwahl ist aber nicht repräsentativ für die CSU. Manfred Weber, Vizechef der konservativen Fraktion im Europaparlament, sagt's diplomatisch: „Heute ist die Bandbreite der Volkspartei CSU deutlich geworden.“

Doch Gauweiler hat die Unterstützung von Parteichef Seehofer, der mit weniger drastischen Worten Ähnliches sagt: „Dieser Drang, jeden Winkel Bayerns und Deutschlands zu reglementieren, erstickt die europäische Idee.“ Gleichzeitig stellt Seehofer aber klar, die europäische Idee sei „die genialste der Nachkriegsgeschichte.“

Ganz ohne polemisches Haudrauf kommt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz in Vilshofen aus. Die CSU, die ein paar Kilometer donauabwärts ihren Aschermittwoch begeht, erwähnt der SPD-Mann nicht ein Mal mit Namen. Und doch wird Schulz von den mehr als 2000 Besuchern im Bierzelt bejubelt und gefeiert wie kein einziger seiner Vorredner - für einen flammenden und leidenschaftlichen Appell für Europa.

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Wenn Menschen zu ihm sagten, die Kriegsgefahr auf dem Kontinent sei gebannt, denn es gebe ja die EU, dann antworte er: „Ja, weil wir die EU haben, ist diese Kriegsgefahr ausgeschlossen. Deshalb kämpfen wir doch darum, dieses Projekt zu verteidigen, zu bewahren, es besser zu machen.“ Was passiere, wenn Machthaber nicht in solche Strukturen eingebunden seien, sehe man gerade auf der Krim, betont Schulz mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine.

Doch auch er schlägt kritische Töne an. „Europa muss nicht jedes und alles machen“, sagt der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten für die Europawahl. „Wir brauchen keine Verordnung über Olivenölkännchen in Restaurants.“ Schulz ist der Star der SPD-Aschermittwochskundgebung, da kommen Landeschef Florian Pronold und Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly nicht gegen an.

Die Grünen widmen sich ihren Kernthemen. Von der Energiewende bis hin zur Verkehrspolitik watscht Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Seehofer ab. Atom- und Kohlekraftwerke müssten vom Netz. Nirgendwo auf der Welt gebe es ein brauchbares Endlager für den Atommüll. „Was ist das für eine unglaubliche Anmaßung, was ist das für eine Frechheit.“

Linke-Fraktionschef Gregor Gysi attackiert die CSU. Zu deren Parole gegen die sogenannte Armutszuwanderung – „Wer betrügt, der fliegt“ – meint Gysi in Passau: „Soll dann der halbe Bundestag gehen?“ Der stellvertretende FDP-Parteichef Wolfgang Kubicki knöpft sich die europakritische AfD vor. Die Partei sei kein Fleisch vom Fleische der Liberalen – „so schlechtes Fleisch hatten wir nie“, sagt er in Dingolfing. Wer den Euro abschaffen oder die Südeuropäer herausdrängen wolle, gefährde die deutsche Exportwirtschaft.

Bei den Freien Wählern ist Aschermittwoch eine Familienangelegenheit. FW-Chef Hubert Aiwanger zieht in Begleitung seiner Lebensgefährtin Tanja Schweiger samt Sohn in die Deggendorfer Stadthalle ein. Während seiner Rede besucht der kleine Laurenz den Papa auf der großen Bühne. Die Szene kommt Aiwanger zu pass: Politik müsse sich für familiengerechte Bedingungen auch auf dem Land einsetzen, fordert er.

 

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