»Mit den Linken reden«

Jürgen Trittin, der Fraktionsvize der Grünen, im AZ-Interview über Koalitionen, Kurt Beck, seine Rivalen und das "Pentagramm des Grauens".
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"Jetzt muss man mit den Linken reden. Das ist doch ein ganz normaler Vorgang."
Mike Schmalz "Jetzt muss man mit den Linken reden. Das ist doch ein ganz normaler Vorgang."

Jürgen Trittin, der Fraktionsvize der Grünen, im AZ-Interview über Koalitionen, Kurt Beck, seine Rivalen und das "Pentagramm des Grauens".

AZ: Herr Trittin, Ihre Partei kann sich derzeit vor dem schwarz-grünen Anbaggern der CDU kaum retten.

JÜRGEN TRITTIN: Die Union geht in Hamburg von einer falschen Vorstellung aus: Sie glaubt, so weiterwursteln zu können wie bisher. Und dass ihr die Grünen zur Mehrheit sowie zu einer weiteren strategischen Option neben Westerwelle verhelfen. Aber dafür wird sie sich jemanden anderes suchen müssen. Wir wollen für Hamburg eine andere Umwelt-, Energie- und Bildungspolitik als die, die Herr von Beust bislang gemacht hat. Da müsste es grundlegende Änderungen geben.

Aber gerade in einem urbanen Milieu mit einem liberalen Bürgermeister böte sich Schwarz-Grün doch an.

Was ist an der Hamburger CDU und Ole von Beust liberal? Der Mann hat mehrere Jahre lang mit dem Rechtspopulisten Schill koaliert. Ich sehe auch die Milieunähe zwischen Grünen und Schwarzen nicht. Umfragen sagen, dass 76 Prozent der Grünen-Wähler sich links positionieren.

Trotzdem schließen auch Sie Schwarz-Grün nicht aus.

Durch das Fünf-Parteien-System ist die Mehrheitsbildung schwieriger geworden. Die Grünen haben in Hessen als einzige Partei nicht herumgeeiert, sondern klar gesagt: Wir haben unser Wahlziel Rot-Grün nicht erreicht, Frau Ypsilanti hat einen Regierungsauftrag, und jetzt reden wir darüber, wie man das machen kann. Wir haben das nicht aus Prinzip gesagt, sondern weil wir etwa das Kernkraftwerk Biblis abschalten wollen. Wer das mit uns macht, mit dem sprechen wir gerne über eine Regierung.

Am Ende müssen Sie bei jeder Koalition Federn lassen.

Koalitionen sind kein Liebesdienst. Man schließt sie mit dem politischen Gegner. Die sind mit Kontrahenten wie CDU und CSU schwieriger als mit der SPD. Erst neulich habe ich zu Erwin Huber gesagt: Das Schlimmste, was ich der CSU antun könnte, wäre, ihr ein Koalitionsangebot zu unterbreiten (lacht).

Aber es gibt einen wichtigen Unterschied: In Hamburg wurde Schwarz-Grün bereits vor der Wahl diskutiert. In Hessen hatten die Grünen dagegen jeder Kooperation mit der Linken eine Absage erteilt.

Wir hatten in Hessen das Ziel Rot-Grün. Als wir das verfehlt haben, haben wir gesagt: Jetzt muss man mit den Linken reden. Das ist doch ein ganz normaler Vorgang.

Was halten Sie vom abrupten Schwenk der SPD-Spitze, was die Linke angeht?

Die SPD hat das Problem, dass sie in Hessen zwei Wahlversprechen gemacht hat. Sie hat ein Linksbündnis ausgeschlossen. Und sie hat gesagt: Koch oder Ypsilanti, er oder sie. Kurt Beck hat sich in diesem Dilemma für die Machtoption entschieden. Er hätte das aber geschickter einleiten müssen – so etwas quatscht man nicht beim Umtrunk mit Journalisten aus.

Welches Tabu ist bei der grünen Basis leichter zu brechen: Schwarz-Grün oder Rot-Rot-Grün?

Die grünen Anforderungen an eine Koalition mit der CDU werden höher sein als an andere Bündnisse.

Höher als für eine rot-rot-grüne Zusammenarbeit?

Ja sicher.

Auch die Grünen geben sich jetzt nach allen Seiten offen: Laufen Sie nicht Gefahr, in den Ruf einer opportunistischen Umfallerpartei zu geraten wie früher die FDP?

Die FDP hat diesen Ruf, weil sie außer dem permanenten Ruf nach Steuersenkungen inhaltlich nichts zu bieten hat. Wir haben dieses Problem nicht. Bei allen Koalitionsverhandlungen, an denen wir beteiligt waren, ging es um sehr Konkretes: Schulreformen, Klimaschutz, Atomausstieg, gesetzlicher Mindestlohn und soziale Gerechtigkeit. Das sind unsere Preise für eine Koalition. Natürlich müssen wir auch eine gesunde Machtoption haben zur Umsetzung unserer Inhalte.

A propos Macht: Wie geht’s den fünf um die Macht rangelnden Grünen-Chefs, die in Berlin auch „Pentagramm des Grauens" genannt werden?

Ich weiß nicht, was daran grauenvoll sein soll. Ich kenne nur liebenswerte Kollegen. Oder sollte ich etwa das Grauen sein?Interview: M. Jox

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