Mini-Sieg für den Mindestlohn
BERLIN - Das Prestigeobjekt der SPD hat gerade noch so funktioniert: Sieben Branchen in Deutschland haben sich gestern fristgerecht für einen Mindestlohn angemeldet - aber noch gibt es viele Hürden.
Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) sieht darin einen „gigantischen politischen Erfolg“, die Union findet die ganze SPD-Kampagne gescheitert.
Ist es nun ein Erfolg oder ein Scheitern für die SPD?
Knapp ein Jahr lang hatten Branchen Zeit, sich beim Arbeitsministerium zu melden, wenn sich Arbeitgeber und Gewerkschaften einig sind. Vor allem SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte bis zuletzt verkündet, dass mindestens zehn Berufszweige mitmachen wollen. Die Union war dagegen von unter fünf ausgegangen. Die sieben Branchen liegen nun halbwegs in der Mitte.
Wer macht mit?
Den Antrag gestellt haben die Branchen Zeitarbeit, Pflegedienste, Sicherheitsgewerbe, Großwäschereien, Forstwirtschaft, Weiterbildung und Bergbau-Spezialdienstleister. Zusammen haben sie 1,43 Millionen Beschäftigte.
Welche Hürden gibt es noch?
Zahlreiche politische und juristische Klippen sind noch zu überwinden. Die Regierung will nun jeden einzelnen Antrag prüfen. Es sei „eine Fülle von kritischen Punkten zu klären“, so Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gestern. Die Union hat bereits angekündigt, dass sie Mindestlöhne für die Zeitarbeitsbranche auf jeden Fall verhindern will. Beim Sicherheitsgewerbe dagegen zeigt sie sich gesprächsbereit. Auch juristisch sind viele Fragen offen. Beispiel Zeitarbeit: Da haben zwei große Verbände zusammen mit dem DGB den Antrag auf Mindestlohn gestellt. Ein dritter Verband dagegen hat zusammen mit einer kleinen christlichen Gewerkschaft etwas anderes vereinbart. Gilt der Branchenlohn dann auch für seine Beschäftigten? Das will der Verband notfalls vor Gericht stoppen.
Warum ist die Resonanz so vergleichsweise gering?
In den meisten Branchen waren es die Arbeitgeber, die gebremst haben. Dort, wo sie doch zugestimmt haben, liegt es am Konkurrenzdruck, erläutert ein Großwäscherei-Verband: Mittlerweile seien derart viele Dumping-Angebote auf dem Markt, dass viele normale Betriebe keine Chance mehr hätten, Ausschreibungen zu gewinnen.
Was sind die politischen Hintergründe?
Teile der Union wollen das Mindestlohngesetz, das Scholz derzeit erarbeitet, am liebsten ganz stoppen – und reagierten gestern entsprechend hämisch: „Jetzt sehen wir, dass die ganz große Mehrheit keinen Mindestlohn will“, so Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen. CDU-General Pofalla: „Eine der fatalsten Fehleinschätzungen der SPD der letzten Jahre.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel machte aber deutlich, dass man an den Vereinbarungen mit der SPD festhält.
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