Mindestlohn auf dem Weg

Die rot-rot-grüne Mehrheit im Bundesrat bringt einen eigenen Gesetzentwurf ein. Die Länder fordern flächendeckend 8,50 Euro. Widerstand kommt von der Union und von Ökonomen
Annette Zoch |
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Seltene Koalition: Saarlands Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, li.) stimmte mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) für den Mindestlohn.
dpa Seltene Koalition: Saarlands Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, li.) stimmte mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) für den Mindestlohn.

Die rot-rot-grüne Mehrheit im Bundesrat bringt einen eigenen Gesetzentwurf ein. Die Länder fordern flächendeckend 8,50 Euro. Widerstand kommt von der Union und von Ökonomen

Berlin - Zum ersten Mal seit 14 Jahren hat Rot-Grün im Bundesrat wieder eine eigene Mehrheit. Am Freitag nutzten SPD, Grüne und Linke ihre neu gewonnene Stärke nach der Niedersachsen-Wahl – und brachten einen eigenen Gesetzentwurf für einen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro ein. Das in einer großen Koalition von der CDU geführte Saarland unterstützt die Initiative.

Wie geht es jetzt weiter?
Der Bundestag muss sich nun mit dem Entwurf befassen. Wann, das kann er selbst entscheiden. Union und FDP haben bereits angekündigt, die Bundesrats-Initiative im Bundestag stoppen zu wollen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) warf Rot-Grün im Bundesrat vor, es gehe ihr nur um Wahlkampf.

Gibt es nicht schon Mindestlöhne?

Prinzipiell herrscht Tarifautonomie in Deutschland. Das ist in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes garantiert. Das heißt, die Tarifparteien haben das Recht, Löhne auszuhandeln, ohne dass der Staat ihnen reinredet. Doch seit 1996 ermöglicht das so genannte Arbeitnehmer-Entsendegesetz, dass Tarifpartner für einzelne Branchen verpflichtende Lohnuntergrenzen aushandeln.

Wo gibt es diese Untergrenzen?

In insgesamt zwölf Branchen: In der Abfallwirtschaft, im Baugewerbe, bei Dachdeckern, Gebäudereinigern, Elektrikern, Malern und Lackierern, Pflegern, Mitarbeitern privater Sicherheitsdienste, Beschäftigten in der Weiterbildung, Wäscherei-Angestellten und Zeitarbeitern.

Was steht im Bundesrats-Entwurf von SPD, Grünen und Linken?
Bundesweit soll ein Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gelten. Damit läge der Mindestlohn knapp über dem Hartz-IV-Satz. Außerdem soll eine unabhängige Kommission eingerichtet werden, die künftig den Mindestlohn festsetzen soll. In der Kommission sollen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Wissenschaftler sitzen.

Wie ist die Position von Schwarz-Gelb?
Tatsächlich hat die Union ihren Widerstand gegen den Mindestlohn in den letzten Jahren aufgegeben. „Es ist so, dass ein Mindestlohn meines Erachtens notwendig ist“, sagte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen gestern. Doch der rot-grüne Vorschlag geht der Union zu weit: Sie ist gegen die staatlich festgesetzte Grenze von 8,50 Euro und fordert, dass eine unabhängige Kommission die Grenze selbst aushandelt. Ausnahmen sollen je nach Region und Branche möglich sein. Von der SPD wird das kritisiert: „Das ist ein löchriger Schweizer Käse“, sagte Thüringens Wirtschaftsminister Matthias Machnig (SPD). Seine Chefin, die CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht, hat im Bundesrat trotzdem gegen den Mindestlohn gestimmt. „Es ist nicht die Aufgabe der Politik, die Grenze festzulegen“, sagte sie. In der FDP gibt es immer noch grundsätzliche Widerstände, überhaupt einen Mindestlohn einzuführen.

Wie würde sich ein Mindestlohn auswirken?

Die Meinungen der Experten gehen auseinander. Der frühere Chef der Wirtschaftsweisen, Wolfgang Franz, warnt vor einem flächendeckenden Mindestlohn: „Eine Reihe von empirischen Studien zeigt, dass schon ein Mindestlohn von 7,50 Euro zu einem Verlust von hunderttausenden Arbeitsplätzen führen würde“, sagte er der „Rheinischen Post“. Ein allgemeiner Mindestlohn zerstöre Arbeitsplätze ausgerechnet im Bereich gering qualifizierter Arbeit. Der amtierende Wirtschaftsweise Peter Bofinger und sein Ex-Kollege Bert Rürup sind für den Mindestlohn. Studien der University of London zeigen, dass nach der Einführung des Mindestlohns in Großbritannien keine Jobs verloren gingen.

 

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