Michelle Obama knuddelt die Queen – darf sie das?

Das junge US-Präsidentenpaar schert sich wenig ums offizielle Protokoll - und zeigte auch in London beim G20-Gipfel Spontaneität. Die AZ sprach darüber mit einem Stil-Trainer.

LONDON Barack Obama beschreitet nicht nur politisch völlig neue Wege. Der jugendliche Präsident und seine Frau bringen mit ihrer unkomplizierten, lockeren Art auch die steifen Krägen vieler Protokollchefs zum Platzen. Doch sind die Patzer wirklich so schlimm? Die AZ sprach mit dem Berliner Benimmtrainer Jan Schaumann.

Don't Touch The Queen

Am Ende des Empfangs bei der Königin im Buckingham Palace beging Michelle Obama einen Tabubruch – sie legte ihren Arm um die 82-jährige Monarchin. Das ist einem ungeschriebenen Gesetz zufolge streng verboten, noch nicht mal ihr Mann berührt die Königin in der Öffentlichkeit. englische Queen aber nahm’s locker, legte Michelle ebenfalls die Hand um die Hüften. "Es war ein sehr schönes Treffen", sagte Michelle danach. Darf sie das? Jan Schaumann meint: "Tatsächlich kennt man englische Queen so locker eigentlich nicht. Aber protokollarische Regeln sind für die Menschen da, und nicht der Mensch für das Protokoll. Wenn also die Stimmung passt, wenn der Umgang warm und herzlich ist, dann finde ich das sehr schön, Protokoll hin oder her."

Wie viel Nacktheit ist erlaubt?

Beim Dinner zeigte Michelle Obama wieder ihren bereits viel kritisierten nackten Bizeps. Beim Gruppenbild stand sie dann neben der bis zum Scheitel streng verhüllten türkischen Premiersgattin Emine Erdogan. Ist das okay? "Bei Veranstaltungen in Abendrobe sind freie Schultern in Ordnung. Nur beim Essen und draußen sollte man sie verhüllen", sagt der Stil-Trainer.

Wie viel Volksnähe ist erlaubt?

Beim Besuch in Downing Street Nr. 10 tauschte Obama einen relaxten Handschlag mit einem Polizisten – und brachte Großbritanniens Premier Gordon Brown in Verlegenheit. Der nämlich geht sonst einfach schnurstracks an dem Polizisten vorbei, der seine Haustür bewacht. Schaumann: "Das ist eine sehr schöne, sehr amerikanische Geste. Brown kann sich davon eine Scheibe abschneiden. Es tut der Politik gut, wenn es mal ein bisschen menschelt."

Schluck aus der Pulle.

Während der Pressekonferenz griff Barack Obama immer wieder – sehr unpräsidial – zum kleinen Plastikfläschchen, trank einen Schluck Wasser. "Das finde ich nicht so geschickt", sagt Jan Schaumann. "Beim Joggen ist das in Ordnung, aber bei so einer offiziellen Angelegenheit sollte Obama sich doch zurückhalten. Auch wenn er vielleicht gerade kein Glas zur Hand hatte, dann hätte er sich den Durst halt für diese eine Stunde verkneifen müssen."

Einem übrigens verzeihen die Briten wirklich jeden Fehltritt: Prinz Philipp. Nachdem Obama über seine Gespräche mit dem russischen und dem chinesischen Präsidenten berichtet hatte, witzelte der Prinzgemahl: "Können Sie die zwei überhaupt auseinanderhalten?"

Annette Zoch