Merkels Gift-Spritze: Die radikale Gesundheitsreform

Bittere Medizin für über 70 Millionen Kassenpatienten in Deutschland: Die schwarz-gelbe Koalition plant eine radikale Gesundheitsreform. Die Folge: Alle müssen mehr zahlen, denn die Kosten für die Gesundheit explodieren. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Kostenexplosion im Gesundheitswesen
dpa Kostenexplosion im Gesundheitswesen

Bittere Medizin für über 70 Millionen Kassenpatienten in Deutschland: Die schwarz-gelbe Koalition plant eine radikale Gesundheitsreform. Die Folge: Alle müssen mehr zahlen, denn die Kosten für die Gesundheit explodieren. Die AZ klärt die wichtigsten Fragen.

Wie läuft das System bislang?

Seit Beginn des Jahres zahlen alle gesetzlich Versicherten einen einheitlichen Beitrag, im Moment 14,9 Prozent. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen je zur Hälfte in die Krankenversicherung ein. Einen Anteil von 0,9 Prozentpunkten tragen die Arbeitnehmer allein. Das Geld fließt mit einem Steuerzuschuss in den Gesundheitsfonds. Von dort wird es an die Kassen verteilt. Kommt eine Kasse mit dem Geld nicht aus, kann sie von den Mitgliedern einen Zusatzbeitrag erheben. Dieser darf nicht höher sein als ein Prozent des Monats-Brutto. Das aktuelle System steht mittlerweile vor dem Kollaps: Im nächsten Jahr droht den Kassen ein Minus von 7,5 Milliarden Euro.

Was wollen Union und FDP ändern?

Die Versicherten müssen die Kostenexplosion im Gesundheitswesen weitgehend allein tragen. Der Arbeitgeberanteil soll eingefroren werden. Die Begrenzung von Zusatzbeiträgen soll aufgehoben werden – damit ist der Weg frei für Beitragserhöhungen. Die Kassen sollen eine vom Einkommen unabhängige Pauschale von ihren Mitgliedern erheben: Der Top-Verdiener zahlt genau so viel wie ein Geringverdiener. Darüber hinaus soll der Staat diejenigen aus der Staatskasse unterstützen, die die Beiträge nicht zahlen können.

Wann kommt die Reform?

Der Umbau im System soll 2011 erfolgen.

Was gilt bis dahin?

Das alte System: Es bleibt der bisherige Deckel von einem Prozent des Bruttolohns für den Zusatzbeitrag. Und es gilt weiter der einheitliche Beitragssatz – und der Gesundheitsfonds. „Wir brauchen im Augenblick den Gesundheitsfonds“, sagt Ursula von der Leyen (CDU), die als künftige Gesundheitsministerin gehandelt wird. Wie das erwartete Defizit von 7,5 Milliarden Euro gedeckt werden kann, ist völlig unklar.

Was müssen wir in Zukunft mehr zahlen?

Auch das ist völlig unklar. Allein um das Defizit von 7,5 Milliarden zu stopfen, müsste der Kassenbeitrag um 0,8 Prozentpunkte steigen, sagt der Gesundheitsexperte Jochen Pimpertz vom Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW). Das würde für einen Beschäftigten mit einem Monats-Brutto von 3000 Euro bei 13,8 Monatsgehältern Mehrkosten von über 300 Euro im Jahr ausmachen. Weil die Regierung einen Pauschalbetrag plant, ist diese Rechnung nur eine Orientierung.

Welche Vorteile hat das System?

Von der Leyen sagt, das neue System werde gerechter, weil der Sozialausgleich über Steuergelder erfolgt – und Gutverdiener zahlen mehr Steuern als Niedrigverdiener. Bislang zahlen zwar Gutverdiener mehr Geld in die Krankenkasse ein – aber nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 3750 Euro. Darüber hinaus können sich Krankenkassen jetzt einen Preis-Wettbewerb um die Kunden liefern und so für niedrigere Preise im Gesundheitssektor sorgen. Darüber hinaus sorge das neue System für mehr Jobs: Weil die Arbeitgeber nicht mehr für Gesundheit zahlen müssen, würden die Lohnnebenkosten begrenzt.

Welche Kritik gibt es?

Die scheidende Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) kritisiert Schwarz-Gelb als „Koalition für die Besserverdiener“: Künftig könne „nur wer Geld hat“ sich über Zusatzversicherungen mehr Versorgung leisten. Adolf Bauer, Chef des Deutschen Sozialverbands, sagt: „Obwohl die Bürgerinnen und Bürger seit Jahren mit sinkenden Realeinkommen und dramatischen Rentenniveauverlusten zu kämpfen haben, werden allein die Arbeitgeber entlastet.“ Barmer-Chef Johannes Vöcking zürnt, die Reform belaste die Versicherten einseitig und schränke ihr Konsumverhalten ein.

Volker ter Haseborg

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.