Merkels Botschaft vor Nato-Gipfel: Abschreckung und Dialog

Berlin/Warschau - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) steht hinter der Nato-Abschreckungsstrategie gegenüber Russland, setzt aber gleichzeitig auf Dialog mit Moskau. In ihrer Regierungserklärung zum Nato-Gipfel verteidigte sie die geplante Truppenstationierung in den östlichen Mitgliedstaaten.
"Deutschland trägt zu diesen Maßnahmen substanziell bei", betonte Merkel. Es reiche nicht aus, Soldaten in Krisensituationen schnell verlegen zu können. Das Bündnis müsse stärker Präsenz im Baltikum und in Polen zeigen. Die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite forderte eine militärische Führungsrolle Deutschlands in Europa.
Die Nato will bei ihrem Treffen in Warschau am Freitag und Samstag unter anderem die Stationierung von jeweils einem Bataillon mit etwa 1000 Soldaten in den vier Ländern beschließen. Die Bundeswehr soll das Bataillon in Litauen mit mehreren hundert Soldaten anführen.
Das Verhältnis zwischen der Atommacht Russland und der Nato ist seit Jahren zerrüttet, vor allem wegen der Ukraine-Krise. Die Regierung in Moskau sieht besonders Pläne der USA für einen Raketenschild in Osteuropa als Sicherheitsbedrohung. Die Nato kritisiert indes Truppenkonzentrationen im Westen Russlands.
Merkel verteidigte das Prinzip der Abschreckung. "Das ist ein zutiefst defensives Konzept", sagte sie. Die Kanzlerin machte Russland für einen Vertrauensverlust durch den Ukraine-Konflikt verantwortlich. Das Grundprinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen sei "durch Worte und Taten in Frage gestellt worden", sagte die CDU-Chefin. Das russische Vorgehen habe die Nato-Mitglieder im Osten "zutiefst verstört". "Sie bedürfen daher der eindeutigen Rückversicherung durch die Allianz."
Zugleich erklärte sie, Abschreckung und Dialog seien keine Gegensätze, sondern gehörten untrennbar zusammen. "Wir sind uns (...) einig, dass dauerhafte Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen ist."
Merkel warb für eine Fortsetzung der Gespräche zwischen beiden Seiten. Sie kritisierte aber, dass Moskau ein Treffen des Nato-Russland-Rats vor dem Gipfel abgelehnt habe. Dort hätte man möglichen Missinterpretationen entgegen wirken können, sagte sie. Das Treffen ist nun für kommenden Mittwoch geplant.
Der russische Nato-Botschafter Alexander Gruschko warf der Nato vor, "eine konfrontative Agenda" anzubieten, "an der wir nicht interessiert sind". Jeder müsse verstehen, dass Russland auf die Verlegung zusätzlicher Truppen nur militärisch antworten könne, sagte er der Zeitung "Kommersant" (Donnerstag). "Wir sehen die Nato derzeit nicht als Partner bei der Lösung von Problemen", sagte Gruschko. "Wir sind bereit zum Dialog mit einzelnen Nato-Staaten." Damit bezog er sich auf Wege, gefährliche Begegnungen russischer und westlicher Kampfjets und Kriegsschiffe zu vermeiden.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte vor einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen. "Einen Rückfall in eine neue, alte Konfrontation dürfen wir nicht zulassen", sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). Die Maßnahmen des Bündnisses im Osten und die Bereitschaft zum Dialog seien "zwei Seiten derselben Medaille". Das eine gehe nicht ohne das andere.
Vor allem Polen und die baltischen Staaten fühlen sich von dem russischen Vorgehen in der Ukraine stark bedroht und erhoffen sich vom Nato-Gipfel ein starkes Signal der Abschreckung. Der polnische Präsident Andrzej Duda erklärte, er erwarte einen "Durchbruch" für die Sicherheitsarchitektur Polens und anderer Staaten der Region. "Bisher war Polen in der Nato, jetzt kommt die Nato nach Polen."
Die litauische Staatspräsidentin Grybauskaite begrüßte in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur, dass die Bundeswehr das geplante Bataillon in ihrem Land anführen wird. Nur ein großes und wirtschaftlich starkes Land wie Deutschland könne die zusätzliche politische und militärische Verantwortung übernehmen, die in Europa jetzt notwendig sei.