Merkels Bilanz in Moll: Leise Töne zur neuen Koalition
BERLIN - Ohne das Triumphgeheul der kleineren Partner zelebriert Bundeskanzlerin Angela Merkel die Verabschiedung des schwarz-gelben Vertrags. Dafür hat sie eine eigene Erkenntnis: „Solche Koalitionsverhandlungen haben die Eigenschaft, dass man zum Schluss noch genauer weiß, warum man in welcher Partei ist.“
Bundeskanzlerin Angela Merkel macht es kurz und schmerzlos. „Wir wollen hier ja über den Koalitionsvertrag abstimmen, damit das Ziel der Veranstaltung gleich mal klar benannt ist“, eröffnet die Chefin am Montagmorgen resolut den kleinen CDU-Parteitag in einem Berliner Hotel.
In Wahrheit ist es ein Treffen des CDU-Hochadels. Minister, Abgeordnete, Kreisvorsitzende, alles hundertfünfzigprozentige, in der Wolle gefärbte Christdemokraten. Auf dem Podium thronen lächelnd und klatschend Merkels Rivalen Roland Koch und Christian Wulff, die selbstverständlich nicht ins Kabinett wechseln wollten, sondern der Chefin von Niedersachsen und Hessen aus im Nacken sitzen werden. Merkels Koalition ist auf jede Stimme im Bundesrat angewiesen, ohne die Länderfürsten geht gar nichts.
Entspannt und entsprechend machtbewusst plaudern die Granden vor den Kameras: „Ich sehe nicht das Ende des Gesundheitsfonds“, sagt der Saarländer Peter Müller. Der designierte Arbeits- und Sozialminister Franz Josef Jung läuft lässig zu den Journalisten, witzelt: „Hallo, wie geht’s, wie steht's? Jetzt seh' mer uns ja wieder so häufig.“ Nur der kommende Innenminister Thomas de Maizière muss seinen Delegiertenausweis herauskramen, um in den Saal zu gelangen. Das Gesicht des bisherigen Kanzleramtsministers ist noch nicht jedem bekannt.
Großartige Diskussionen über den Koalitionsvertrag sind in der CDU weder erwünscht noch vorgesehen. Noch-Generalsekretär Ronald Pofalla, der künftig Merkels Kanzleramtschef sein wird, sagt um 12.25 Uhr ins Mikrofon: „Ich schlage vor, den Antragsschluss auf 12.30 Uhr festzulegen.“ Natürlich, das weiß hier im Saal jeder, wird es keine Anträge geben.
"Wir haben das Ziel erreicht"
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist jede Art von Triumphgeheul über die neue Regierung fremd. „Wir haben unser Wahlziel erreicht“, sagt sie knochentrocken. Nämlich die große Koalition durch Schwarz-Gelb abzulösen. Das Bündnis mit der FDP sei ja ihre Wunschkonstellation gewesen, so Merkel – und fügt mit der ihr eigenen Ironie hinzu: „Solche Koalitionsverhandlungen haben die Eigenschaft, dass man zum Schluss noch genauer weiß, warum man in welcher Partei ist.“ Über die CSU verliert sie nur einen Satz: „Mit unserer Schwester haben wir uns in den Koalitionsverhandlungen im Großen und Ganzen gut verstanden.“
Merkel erklärt den Koalitionsvertrag, ohne mit den eigenen Muskeln zu prahlen wie CSU-Chef Horst Seehofer oder in ein Jubelgebrüll zu verfallen wie tags zuvor FDP-Chef Guido Westerwelle. Sie wählt stattdessen eine Tonlage in Moll und spricht viel von der Krise: „Diese Legislaturperiode wird von uns eine unglaubliche Ernsthaftigkeit verlangen.“ Sie habe den Eindruck, dass diese Erkenntnis „noch nicht überall angekommen ist“, sendet sie ein Signal an manche ihrer Koalitionäre, die sich schon wüst balgen, noch ehe das neue Kabinett vereidigt worden ist.
"Ein Pfad, der voll auf Wachstum setzt"
Mit großem Nachdruck und energisch verteidigt Merkel die Entscheidung von Union und FDP, in der Krise nicht zu sparen oder die Lohnnebenkosten zu erhöhen, sondern mehr Schulden zu machen. „Mir wär's auch lieber, wir hätten 2011 einen ausgeglichen Haushalt“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Man habe sich aber jetzt entschlossen, „einen Pfad zu gehen, der voll auf Wachstum setzt“. Sie könne keine Garantie geben, dass diese Strategie aufgehe, sagt sie mit Blick auf ihren neuen Kassenwart Wolfgang Schäuble: „Wir werden in den nächsten vier Jahren eine unglaublich schwierige Finanzpolitik haben.“
Dann versucht Bundeskanzlerin Angela Merkel noch, ihren Leuten ein paar Beruhigungspillen zu verabreichen. "In der Krise besteht keinerlei Veranlassung, am Kündigungsschutz rumzufummeln", sagt sie. Bei der Gesundheitspolitik wiederum müsse man „die Dinge ruhig und vernünftig diskutieren“ dürfe „die Menschen nicht in Angst versetzen“. Das System bleibe auf jeden Fall solidarisch. Den sächsischen Bundestagsabgeordneten Arnold Vaatz, der den Koalitionsvertrag wegen der geplanten radikalen Gesundheitsreformen im Bundesvorstand noch abgelehnt hatte, konnte Merkel mittlerweile schon wieder einfangen: „Nach einigen Gesprächen stelle ich stelle meine Bedenken mittlerweile zurück und stimme heute zu.“
Markus Jox