Merkel zum Incirlik-Abzug: "Dann gehen wir da raus"
Brüssel/Berlin - "Wenn ein Besuch deutscher Abgeordneter in Incirlik nicht möglich ist, dann gehen wir da raus", gab der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Freitag Merkels Haltung wieder. Die Bundeswehr hat dort Aufklärungsflugzeuge für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien stationiert.
Möglicherweise wird sich der Bundestag schon nächste Woche mit dem Dauerkonflikt befassen und eine Entschließung für den Abzug der deutschen Soldaten vorlegen. Eine Alternative zur Türkei wäre der Stützpunkt Al-Asrak in Jordanien, bekräftigte am Freitag der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff. Nach der positiven Standortprüfung sei dies aber nun "eine politische Entscheidung". An dem Einsatz sind rund 260 deutsche Luftwaffensoldaten beteiligt.
Erdogan hatte am Donnerstag bei der Unterredung mit Merkel am Rande des Nato-Gipfels in Brüssel nicht eingelenkt. Man habe über "derzeitige Belastungen der deutsch-türkischen Beziehungen" gesprochen, teilte ein Sprecher der Bundesregierung lediglich mit. Merkel hatte zuvor erstmals offen mit einem Abzug aus Incirlik gedroht, falls Abgeordnete den Stützpunkt nicht besuchen dürften. Da Deutschland eine Parlamentsarmee habe, sei dies unabdingbar.
Die türkische Regierung verweigerte zuletzt Mitgliedern des Verteidigungsausschusses einen Besuch in Incirlik, weil türkischen Soldaten in Deutschland Asyl gewährt worden war. Ankara wirft diesen Soldaten vor, in den Putschversuch vom Juli 2016 verwickelt gewesen zu sein. Erdogan sagte am Mittwoch zur Drohung mit einem Abzug der Bundeswehr: "Wenn sie so etwas aber machen sollten, ist das für uns kein großes Problem. Wenn sie gehen, dann sagen wir eben "Auf Wiedersehen". Nichts weiter."
Die "Süddeutsche Zeitung", NDR und WDR berichteten, zwei der von der Türkei meistgesuchten Militärs hätten in Deutschland Asyl beantragt. Dem Recherchenetzwerk zufolge soll es sich bei den beiden um einen Oberst und einen Oberstleutnant handeln, die am 12. Mai in Begleitung von drei anderen Personen aus dem griechischen Heraklion kommend am Frankfurter Flughafen landeten. Die türkische Regierung wirft ihnen laut Bericht vor, als Offiziere der Militärakademie in Ankara in den Putsch eingeweiht gewesen zu sein. Vom Innenministerium hieß es am Freitag in Berlin, zu Asyl-Einzelfällen nehme man nicht Stellung. Eine Sprecherin teilte zudem mit, derzeit seien 217 Asylanträge von Diplomatenpass-Inhabern und 220 von Dienstpass-Inhabern registriert.
Lösung deutet sich an
Derweil zeichnet sich laut "Spiegel" im deutsch-türkischen Streit über Besuche deutscher Abgeordneter auf dem Nato-Luftwaffenstützpunkt Konya eine Lösung ab. Demnach hat Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vorgeschlagen, Flüge nach Konya grundsätzlich als Nato-Flüge zu deklarieren.
Dann müssten Besuche von Abgeordneten bei den deutschen Awacs-Besatzungen nicht mehr einzeln von der türkischen Regierung genehmigt werden. Die Nato müsse Ankara dann lediglich informieren, so die Idee Gabriels. Die türkische Regierung hat laut "Spiegel" Zustimmung signalisiert. Gabriel selbst hatte die Drohung mit einem Bundeswehr-Abzug vor wenigen Tagen auf deutsche Soldaten in Konya ausgeweitet. Sie beteiligen sich dort an Nato-Aufklärungsflügen.
Linksfraktions-Chefin Sahra Wagenknecht verlangte den sofortigen Abzug der Bundeswehr aus Incirlik. "In einem Land, das sich auf dem Weg in eine islamistische Diktatur befindet und jegliche Kooperation verweigert, haben unsere Soldaten nichts zu suchen", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Die Bundeswehr hätte schon seit langem von diesem Standort abgezogen werden müssen.
Falls deutsche Soldaten von Incirlik nach Jordanien verlegt würden, könnten sie wohl wochenlang keinen Beitrag im Kampf gegen den IS leisten, hatte das Verteidigungsministerium diese Woche mitgeteilt. Beim Einsatz der "Tornado"-Aufklärungsflugzeuge sei durch den Umzug mit einer Lücke von etwa zwei Monaten zu rechnen, das Tankflugzeug könne zwei Wochen nicht eingesetzt werden, bekräftigte am Freitag Ministeriumssprecher Flosdorff.
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