Merkel will nicht «Frau Bundeskanzlerin» sein

Die Regierungschefin legt keinen Wert auf eine förmliche Anrede. Und wenn das einer aus ihrem Stab nicht weiß, dann weist sie ihn unterschwellig darauf hin.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kostete der weniger förmliche Umgang mit seiner Chefin besondere Überwindung: «Ich komme aus einer Beamtentradition in Bayern, in der es selbstverständlich ist, den Inhaber eines öffentlichen Amtes mit seinem Titel anzusprechen», sagte er der «Zeit». Er habe natürlich auch 'Frau Bundeskanzlerin' zu Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt.
Die Regierungschefin habe ihn dann mit mildem Humor zur richtigen Ansprache geführt: «Sie hat sich dann gewünscht, dass ich sie mit ihrem Namen anrede. Und wenn ich das nicht getan habe, hat sie anfangs ironisch mit 'Herr Staatssekretär' geantwortet.» Das sei nicht ohne Komik gewesen. Der heutige EU-Beauftragte für Bürokratieabbau, Edmund Stoiber, ist für Wilhelm, der von 1998 bis 2003 Sprecher des bayerischen Ministerpräsidenten war, bis heute der 'Herr Ministerpräsident', wie er sagte. Der ehemalige Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Schmidt, Klaus Bölling, erinnert sich in dem gemeinsamen Interview mit Wilhelm an eine andere Form der Anrede seines damaligen Chefs. Bölling sagte, der damalige Kanzler habe ihn im Gegensatz zum in der SPD üblichen Du immer mit «Sie und Klaus» angeredet. Er selbst habe aber immer «Herr Bundeskanzler» gesagt.
Einig waren sich Bölling und Wilhelm darin, dass ein Regierungssprecher nicht lügen dürfe. Glaubwürdigkeit sei ein so genanntes Essential. «Wichtig ist, dass man die Grenzen seiner Aufgabe kennt und sich nicht selbst für einen Mächtigen hält, für jemand, der seine eigenen Vorstellungen durchsetzt, obwohl er nicht gewählt ist», sagte Wilhelm. Den eher unkomplizierten Stil pflegt Merkel - zumindest in Sachen Anrede - auch im Umgang mit dem Volk, mit Journalisten oder anderen dienstlichen Gesprächspartnern: «Sie wird keinen zurechtweisen, der sich nicht mit Frau Bundeskanzlerin anspricht und umgekehrt auch keinen, der sich mit Frau Merkel anspricht», hieß es auf NZ-Nachfrage im Bundespresseamt. «Sie legt da keinen großen Wert drauf.» (nz)