Merkel vor der Wiederwahl: Trautes Stelldichein

STUTTGART - Ab Montag tagt der CDU-Parteitag: Nach der Absage des kampfeslustigen Horst Seehofer wird eine harmonische Kanzlerinnen-Jubelfeier erwartet
Dem bayerischen Löwen hat es die Stimme verschlagen: Er werde auf dem CDU-Parteitag, der heute in Stuttgart beginnt, ordentlich die Krallen ausfahren in Richtung Schwesterpartei, hatte Horst Seehofer vollmundig angekündigt. „Im Streit um rasche Steuersenkungen werde ich die Dinge sagen, die ich für notwendig halte. Und die sind nicht immer angenehm“, tönte der CSU-Chef und Ministerpräsident. Doch jetzt faucht er gar nicht, sondern musste seine Rede kleinlaut absagen - er muss wegen des Desasters um die BayernLB in München bleiben.
So dürfte das schwarze Treffen in Stuttgart ein adventlich-friedliches Stelldichein werden. Die Linie von Parteichefin Bundeskanzlerin Angela Merkel ist klar: Mehr Netto vom Brutto soll es geben, aber erst nach der Bundestagswahl. Ihr Leitantrag „Die Mitte. Deutschlands Stärke“ sieht ein Entlastungsprogramm erst ab 2009 vor. Im Wahlkampf will Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür kämpfen – und damit auch dem Wunsch-Partner FDP schöne Augen machen. „Die CDU möchte eine Steuerreform verwirklichen, die wieder mehr Leistungsgerechtigkeit für die Steuerzahler herstellt“, sagte Merkel der „FAS“. Ein einheitlicher Freibetrag von 8000 Euro für Erwachsene sei hilfreich. Eine Senkung der Mehrwertsteuer lehnte sie dagegen strikt ab.
Schon lästert der „Spiegel“ über „Angela Mutlos“ und kritisiert „das gefährliche Zaudern der Kanzlerin in der Wirtschaftskrise“. Der einzige Unionspromi, der offen gegen Merkel stänkert, ist Ex-Fraktionschef Friedrich Merz, übrigens noch immer der Christdemokrat mit der größten Wirtschaftskompetenz weit und breit: „Die Vorsitzende der CDU sollte nicht die Letzte auf der Welt sein, die zur Einsicht gelangt, dass eine solche Krise auch im Bereich der Steuer- und Abgabenbelastung eine Korrektur erfordert.“
"Mutti" setzt auf Geschlossenheit
Auch bei den Personalia setzt „Mutti“, wie Merkel parteiintern gerne genannt wird, auf Geschlossenheit: Die Chefin ist populär, hat den Kanzlerbonus und soll Zugpferd im Wahlkampf sein. Zum vierten Mal bereits lässt sie sich in Stuttgart wiederwählen.
Aber auch ihre Stellvertreter sollen gute Ergebnisse bekommen. Was kein Problem sein dürfte. Alle haben sich vor dem Parteitag loyal verhalten und sind beim Steuerthema auf Merkel-Linie eingeschwenkt: Annette Schavan hat ein Heimspiel, war mal Ministerin in Stuttgart. Roland Koch steht unmittelbar vor der Hessen-Wahl, die Delegierten werden dem Polit-Rabauken zujubeln.
Der selbst ernannte schwarze Arbeiterführer Jürgen Rüttgers deckt die soziale, linke Flanke der Partei ab. Und der Niedersachse Christian Wulff hat im Vorfeld die devoteste Ergebenheitsadresse in Richtung Merkel abgeschickt: Er sei gar kein Alphatier, verfüge nicht über den „unbedingten Willen zur Macht". Die Botschaft dahinter: Glaubt mir, ich werde der Mama nicht gefährlich.
Markus Jox