Merkel und Schäuble: Auf getrennten Wegen

Wie lange noch bleibt Wolfgang Schäuble im Kabinett von Bundeskanzlerin Angela Merkel? Bis Weihnachten? Oder nur bis zum Wochenende? Die Spekulationen in Berlin sind kaum noch einzudämmen.
SEOUL So weit können Bundeskanzlerin Angela Merkel und Wolfgang Schäuble gar nicht reisen – die Spekulationswelle von daheim holt sie immer wieder ein: Um Weltwirtschaft und Finanzen sollte es für die deutsche Delegation am Freitag eigentlich gehen. Ging es zwar auch – aber nur unter ferner liefen. Viel interessanter fand der mitgereiste Tross die neueste Personaldebatte an der Heimatfront: Die Kanzlerin plane, sich rasch von ihrem wichtigsten, aber angeschlagenen Minister zu trennen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte es mit der entsprechenden Schlagzeile des Handelsblatts (AZ berichtete) die Laune schon zum Frühstück verhagelt. Üblicherweise nimmt sie Journalisten-Spekulationen souverän, diesmal aber verlor sie die Fassung: „Frei erfunden“ sei die Geschichte, motzte Bundeskanzlerin Angela Merkel, man sehe ja schließlich beide, sie und Schäuble, nebeneinander „in trautem Einvernehmen“. Da schwieg Schäuble erstmal.
Womöglich nicht ohne Grund. Denn seitdem sich Schäuble die öffentliche Abkanzlung seines mittlerweile entnervt ausgestiegenen Sprechers Michael Offer leistete, gibt es keine Ruhe mehr für ihn. Erst die Debatte um seinen Gesundheitszustand und die mehrwöchigen Ausfälle, jetzt das Bild eines Ministers, dem die Nerven durchgehen, der die Regeln des Anstands verletzt – das ist für manche in der Union einfach zu viel.
Deswegen sind die Rückzugsspekulationen nun nicht mehr einzudämmen. Vor Weihnachten könne es soweit sein, heißt es hier, möglicherweise gehe alles sogar noch schneller, heißt es dort. Es gibt sogar Gerüchte über einen Rückzug Schäubles schon an diesem Wochenende. Das würde der Kanzlerin zumindest einen Neustart auf dem am Sonntag abend beginnenden CDU-Parteitag ermöglichen. Dort muss sie sich der Wiederwahl stellen.
An der gibt es zwar keinen Zweifel, daran, dass es ein Traumergebnis für sie gibt, aber schon. Der Absturz von Schwarz-Gelb in den Umfragen, das große Gezerre mit den Reformen: All dies hat Bundeskanzlerin Angela Merkel von den vordersten Plätzen bei Beliebtheitsumfragen zurückfallen lassen. Zur Frage ihrer Führungsqualitäten kam sie allerdings im neuen Politbarometer relativ gut weg: 59 Prozent finden, dass sie ihren Laden im Griff hat. Unter den eigenen Anhängern sind es sogar 83.
Um so mehr könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel geneigt sein, auch die ganze Regierung mit einem raschen Wechsel aufzupolieren. Bei einem Ausstieg Schäubles stünde wohl Innenminister Thomas de Maizière als neuer Finanzminister bereit. Auf ihn könnte Umweltminister Norbert Röttgen folgen, der wiederum den Weg freimachen würde für eine Neueinsteigerin: Tanja Gönner. Die CDU-Umweltministerin von Baden-Württemberg war vor allem durch ihren Einsatz für den umstrittenen Bahnhof Stuttgart 21 bekannt geworden. mue