Merkel steuert in die Mitte: Kernlose Union

"Die Realität ist auch dem Wähler von CDU/CSU zumutbar." Georg Thanscheidt, der Vize-Chefredakteur der AZ, über den Kurs der Kanzlerin.
von  Georg Thanscheidt

Was Bundeskanzlerin Angela Merkel derzeit mit der CDU macht, kennt man sonst eigentlich nur aus der Altbausanierung: Die Kanzlerin entkernt ihre Partei.

Leitsätze, die einst zum konservativen Katechismus gehörten, sind nun Makulatur: Die Atomkraft ist nicht mehr gut, sondern schlecht. Die Bundeswehr ist nicht mehr verpflichtend, sondern freiwillig. Mütter, die ihr Kind in die Krippe geben, sind keine Rabenmütter mehr.

Und jetzt soll man auch noch Partnerschaften von Lesben und Schwulen genau so behandeln wie den heiligen Bund der Ehe? Oder künftig gar das finanzielle Wohlergehen von Kindern höher schätzen als den Zweitwagen für die beschäftigungs- und kinderlose Zahnarztfrau – und deswegen das Ehegattensplitting abschaffen? Viele Unionsmitglieder empfinden das als Zumutung. Ihnen sei gesagt: Die gesellschaftliche Realität ist dem Menschen zumutbar – auch dem Wähler von CDU oder CSU.

Wie Gerhard Schröder weiß Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden. Nur dass diese Mitte von ihr aus gesehen halt weiter links liegt. Dorthin steuert sie die Union mit der Selbstgewissheit einer protestantischen Pfarrerstochter.

Der CSU passt das nicht. Allerdings hat ihr Chef, Instinktpolitiker Horst Seehofer, schon erkannt, dass die Bevölkerung mal wieder weiter ist als seine Partei. Merkel und er werden das Erscheinungsbild ihrer Parteien rechtzeitig zu den Wahlen im September den Realitäten anpassen.

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