Merkel kämpft für EU-Demokratie
Die Stimmen gegen den Reformvertrag für die Europäische Union werden lauter. Zuletzt hat Polen gepoltert. Die deutsche Kanzlerin allerdings gibt noch nicht auf. Und sichert ihrem französischen Kollegen Sarkozy Unterstützung zu.
Trotz der neuen Widerstände aus Polen will sich Bundeskanzlerin Angela Merkel weiter für den EU-Reformvertrag einsetzen. Nach der Weigerung des polnischen Präsidenten Lech Kaczinsky, den von Irland abgelehnten Vertrag zu unterschreiben, sagte Merkel der «Bild»-Zeitung: «Der Vertrag von Lissabon macht die EU demokratischer und stärkt die Möglichkeiten aller Mitgliedsstaaten. Deshalb werde ich alles daran setzen, zusammen mit der französischen Präsidentschaft den Ratifizierungsprozess voranzubringen.»
Die Entscheidung von Bundespräsident Horst Köhler, den Vertrag bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über mehrere Klagen nicht zu unterzeichnen, stieß derweil bei SPD und Union auf Kritik. Gleichzeitig äußerten die meisten Europapolitiker der Bundestagsfraktionen die Hoffnung, dass das Gericht noch in diesem Jahr sein Urteil zum Vertrag von Lissabon fällt.
Klage gegen beschnittene Rechte
Damit bliebe Deutschland noch in dem ursprünglich in der EU vereinbarten Zeitrahmen einer Ratifizierung bis Ende 2008. Vor allem für die Iren, die das Abkommen zur Reform der EU-Institutionen bei einer Volksbefragung abgelehnt haben, wäre dies ein Signal der Geschlossenheit der anderen EU-Mitglieder. Die EU-Kommission äußerte Verständnis für Köhlers Entscheidung. Die Kommission sei zuversichtlich, dass Deutschland den Vertrag bald ratifizieren werde. Die Abgeordneten Peter Gauweiler (CSU) und Diether Dehm (CDU) haben Verfassungsbeschwerde gegen den Vertrag eingereicht. Die Linke-Fraktion erhob zusätzlich Organ-Klage. Die Kläger sehen die Rechte der Abgeordneten mit der EU-Reform beschnitten und halten den gesamten Vertrag für falsch.
Köhler in einer Reihe mit Gegnern
Wegen der beantragten einstweiligen Verfügungen hatte Köhler auf Bitten des Karlsruher Gerichts mitgeteilt, dass er vor einem Urteil die Ratifikationsurkunde des Vertrags nicht unterzeichnen werde. Bundestag und Bundesrat haben den Vertrag bereits jeweils mit Zwei- Drittel-Mehrheiten gebilligt.
Der CDU-Europapolitiker Gunther Krichbaum sagte, er respektiere Köhlers Entscheidung. Es wäre aus seiner Sicht aber besser gewesen, wenn Köhler seine politischen Spielräume «für ein starkes Signal aus Deutschland für den Vertrag» genutzt hätte. Der SPD-Europapolitiker Axel Schäfer sprach ebenfalls von einem «falschen Signal». Köhler stehe jetzt in einer Reihe mit den als Vertragsgegner bekannten Präsidenten aus Polen, Kaczynski, und Tschechien, Vaclav Klaus, «obwohl er in diese Reihe nicht gehört», sagte Schäfer.
Ersatzpläne fürs Scheitern
Markus Löning von der FDP sagte dagegen, Köhler habe nur einer Bitte des Gerichts entsprochen. Dies sei kein Präjudiz für das Urteil aus Karlsruhe. Von der Bundesregierung verlangte er Ersatzpläne für den Fall, dass der Vertrag von Lissabon insgesamt in der EU scheitert. Damit er in Kraft treten kann, müssen ihn alle EU- Mitgliedsstaaten billigen. (dpa)