Merkel in China: Gönner gesucht
Der Vize-Chefredakteur der AZ, Georg Thanscheidt, über Merkels Besuch in Peking.
Stellen Sie sich mal vor, Sie wären stinkreich – und hätten aber leider einen großen Teil ihres gigantischen Vermögens in Euro angelegt. Und dann kommt Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch...
So ähnlich geht es Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao. Sein Land hat durch den florierenden Export von Elektronik und Textilien mehr als 3 Billionen Dollar Devisenreserven auf der hohen Kante – davon schätzungsweise mindestens ein Viertel in Euro. Er sähe es ungern, wenn sein Vermögen durch einen Absturz des Euro an Wert verlieren würde.
Ein Euro-Austritt der Griechen ist Wen eigentlich egal – würde das ewige Hin und Her nicht die Weltwirtschaft lähmen und Chinas Export behindern. Also spricht er sich für einen Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone aus – in der Hoffnung, dass es so alle Staaten Südeuropas ans rettende Ufer schaffen.
Wäre es nicht so logisch, es wäre schon fast rührend: Die Chinesen sorgen sich also um Europa. Vorbei die Zeiten, in denen Briten und Deutsche von der „Gelben Gefahr“ faselten und Bundeskanzler „China, China, China“ raunten. Nun sucht der Westen den Gönner und der früher so ferne Osten den Partner.
Beide – Deutschland und China – haben erkannt, dass sie aufeinander angewiesen sind. Eine Freundschaft ist das noch nicht – uns trennen unterschiedliche Werte, eine unterschiedliche politische Streitkultur und noch einiges mehr. Aber eine gute Geschäftsbeziehung kann schon mal ein Anfang sein.
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