Merkel im Fall Böhmermann: Das Falsche im Richtigen

Angela Merkels Entscheidung im Fall Böhmermann war richtig, doch sie ist mit einem gewaltigen Makel behaftet. Ein Kommentar von AZ-Onlinechef Stephan Kabosch.
von  Stephan Kabosch
Angela Merkel konnte es nicht allen recht machen, hat aber richtig gehandelt, findet AZ-Onlinechef Stephan Kabosch.
Angela Merkel konnte es nicht allen recht machen, hat aber richtig gehandelt, findet AZ-Onlinechef Stephan Kabosch. © dpa/Daniel von Loeper

Nun also hat Bundeskanzlerin Angela Merkel entschieden und die Ermächtigung zur Strafverfolgung von Comedian Jan Böhmermann erteilt. Das war das einzig Richtige. Sicher, viele mögen Merkels Entscheidung als einen Kotau vor dem "Sultan in Ankara" verurteilen, als ein Zeichen der Schwäche, ein Einknicken vor Recep Tayyip Erdogan, von dem sich Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise abhängig gemacht hat. Doch gemach!

Im Mittelpunkt von Merkels Diktum steht die Feststellung, dass in einer aufgeklärten, demokratischen, pluralistischen Gesellschaft eben gerade nicht die Regierung über Recht, Gesetz und Strafe entscheidet, sondern eine unabhängige Justiz. Dorthin gehört auch der Fall Böhmermann. Und Merkel signalisiert mit ihrer Entscheidung auch dieses: Hierzulande bedarf es keiner Bevormundung der Richter und Staatsanwälte durch die Politiker. Schön, dass man Erdogan und die Türkei während der möglicherweise Jahre dauernden Beschäftigung der Gerichte mit diesem Fall immer wieder darauf hinweisen kann und ihnen damit eine Lektion in Sachen Menschenrechte und Gewaltentrennung erteilt.

 

Böhmermanns Verdienst: Der "Schah-Paragraph" verschwindet endlich

 

Und doch bleibt an Merkels Entscheidung ein gewaltiger Makel haften, wird sie nicht unbeschadet aus der Causa Böhmermann hervorgehen können. Daran ist sie selbst schuld. Ohne Not und vielleicht auch ohne Bedacht hatte die Bundeskanzlerin Jan Böhmermanns Schmähgedicht gegenüber Erdogan als „bewusst verletzenden Text“ bezeichnet. Das war das Falsche im letztlich Richtigen. Ohne diese tatsächlich inhaltliche Festlegung wäre die ganze Angelegenheit vermutlich niemals so hochgekocht, wäre es möglicherweise gar nicht erst zu Anzeigen gekommen.

Und Jan Böhmermann? Er hat mit seiner geschmacklosen, zumindest grenzwertigen Satire auf jeden Fall zweierlei erreicht: eine breitere Debatte über das Demokratieverständnis am Bosporus sowie die Frage nach den Grenzen der Meinungsfreiheit  - und eine Abschaffung des Paragraphen 103 im Strafgesetzbuch über die "Majestätsbeleidigung" ausländischer Staatsoberhäupter. Die allgemeine Regelung im deutschen Strafrecht reicht völlig. Aus dem „Schah-Paragraphen“ wird die „Lex Böhmermann“, durch die eine unselige und unzeitgemäße Bestimmung endlich verschwindet und Regierungen künftig nicht mehr in ein solches Dilemma geraten werden. Kein geringes Verdienst.

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