Merkel geht die Düse: Stimmung bei Schwarz-Gelb am Tiefpunkt

Die Stimmung bei Schwarz-Gelb ist am Tiefpunkt. „Wie die kleinen Kinder. Und langsam fangen sie an zu nerven“. Der Innenminister sieht Seehofer als „Chef der 2. Geigen“.
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Die Stimmung bei Schwarz-Gelb ist am Tiefpunkt. „Wie die kleinen Kinder. Und langsam fangen sie an zu nerven“. Der Innenminister sieht Seehofer als „Chef der 2. Geigen“.

BERLIN Einen schönen Anflug von Sarkasmus zeigte gestern Peter Altmaier, Geschäftsführer der Unionsfraktion: „Ich möchte darauf hinweisen, dass es diese Woche noch keinen Rücktritt gegeben hat. Die Woche beginnt doch gar nicht so schlecht.“ In der Tat hat sich die Definition der schwarz-gelben Koalition einer „guten Woche“ drastisch verändert: Mittlerweile ist das vermeintliche Wunschpaar zum „Zweckbündnis“ geworden, das sich lauthals versichern muss, dass es nicht auseinander fliegt.

Wie grimmig die Stimmung ist, hatte sich am Montag vor allem in wechselseitigen Beschimpfungen von FDP und CSU („Wildsau“, „durchgeknallte Sicherungen“, „Traumatherapie“) gezeigt. CSU-Chef Horst Seehofer, ohnehin gereizt, weil zuvor seine Äußerungen zur Gesundheitspolitik vom Kanzleramt korrigiert worden waren, verbat sich „Belehrungen“ und sprach von unerträglichen Zumutungen.

Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach den Streithansln förmlich ihre Missbilligung aus: „Diese Wortwahl ist nicht nachahmenswert.“ Sie ließ Kanzleramtsminister Pofalla gestern darauf hinweisen, dass die Zitate nicht von Ministern stammen – also quasi aus der zweiten Reihe. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn formulierte es lebensnäher: „Wie die kleinen Kinder. Und langsam fangen sie mit ihrem Geschrei an zu nerven.“

Doch das Geschrei geht längst über die Gesundheitsreform hinaus, es gibt viele andere Baustellen von der Bundespräsidentenwahl über das Sparpaket bis zur Frage, wie gut man eigentlich zusammenpasst. FDP-Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger stellte bereits die Koalition in Frage. Gestern nahm sie sich etwas zurück und sagte, Schwarz-Gelb sei ein „Zweckbündnis“, in dem Verträge einzuhalten seien. Das klingt schon ganz anders als „geistig-politische Wende“.

Westerwelle selbst versuchte, die Wogen zu glätten. Er kenne das als Rheinländer, dass man sich manchmal zu „unbedacht und temperamentvoll“ äußert. CSU-Chef Seehofer erklärte gestern öffentlich, er sehe nach „Kontakten mit dem FDP-Vorsitzenden“ die Regierungskoalition „nicht in Gefahr“. Das bezog sich zwar auf die Frage, ob die FDP den Präsidentschaftskandidaten Wulff wirklich mitträgt – doch diese Frage ist mit den anderen womöglich stärker verknüpft als gedacht.

Laut FAZ gab es ein Junktim der FDP: Sie soll sich am Donnerstag unter zwei Bedingungen dazu bereit erklärt haben, Wulff zu wählen: Erstens, im Sparpaket stehen keine Steuererhöhungen – erfüllt. Zweitens, die Kopfpauschale wird nicht beerdigt – 24 Stunden später gebrochen. Zwar hat die FDP dies dementiert, doch auch jetzt bleiben CDU-Politiker bei dieser Version, so die FAZ. Das würde den extremen Unmut der FDP wie auch deren Sympathiebekundungen für den rot-grünen Kandidaten Joachim Gauck erklären.

Merkel hat derzeit gut zu tun, dass ihr der Laden nicht komplett um die Ohren fliegt: die Umfragewerte im Keller, landesweite Proteste gegen das Sparpaket, die unverhohlenen Aggressionen der Regierungspartner und das Risiko bei der Präsidentenwahl. Falls Wulff nicht gewählt wird, ist Merkel weg, glaubt Politikforscher Ulrich Sarcinelli.

Innenminister Thomas de Maizière bemühte einen musikalischen Vergleich: Die Harmonie in der Koalition sei doch gut, sagte er. „Ein Konzert ist schön, wenn die Töne zusammenklingen. Das heißt nicht, dass alle das Gleiche spielen.“ Und: „Das ist wie im Orchestergraben. Die Kanzlerin ist die Dirigentin. Der Konzertmeister der ersten Geigen ist Fraktionschef Kauder, der Konzertmeister der zweiten Geigen vielleicht Seehofer und der Konzertmeister der Celli ist Westerwelle.“ FDP-Mann Ernst Pfister konnte sich gestern einen neuerlichen Seitenhieb nicht verkneifen – er nahm den Ausdruck „Wildsau“ für die CSU zurück. Allerdings mit der sarkastischen Begründung: „Die Wildsau ist ein sehr kommunikatives Tier. Von daher ist die die Wortwahl falsch.“ tan

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