Merkel fordert in Spähaffäre erneut Aufklärung von Amerikanern
Berlin - Das transatlantische Verhältnis werde durch die Vorwürfe gegen den US-Geheimdienst NSA auf eine Probe gestellt, sagte Merkel am Montag in einer Regierungserklärung zur osteuropäischen Partnerschaft im Bundestag. "Die Vorwürfe sind gravierend. Sie müssen aufgeklärt werden. Und wichtiger noch: Für die Zukunft muss neues Vertrauen aufgebaut werden." Die Opposition forderte erneut, den Enthüller der US-Spähaktionen, Edward Snowden, nach Deutschland zu holen.
In der Sondersitzung des Parlaments war für Montagnachmittag auch eine Debatte über die Ausspähaktionen der NSA geplant. Snowden hatte massenhaft geheime Dokumente öffentlich gemacht und die Affäre damit ins Rollen gebracht. Vor wenigen Wochen war bekanntgeworden, dass die NSA wohl jahrelang auch Merkels Handy abgehört hat.
Im Bundestag äußerte sich die Regierungschefin nicht direkt zu der Abhörattacke auf ihr Telefon. Sie sagte aber, die aktuellen Vorwürfe seien auch relevant für die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. In solchen Gesprächen gehe es immer auch um Vertrauen. Zugleich betonte sie, trotz der NSA-Affäre bleibe das Verhältnis zu den USA "von überragender Bedeutung" für Deutschland und Europa.
Die USA suchen Snowden wegen Geheimnisverrats. Bis zum Sommer hat er Asyl in Russland bekommen. Linke und Grüne fordern einen Untersuchungsausschuss, um der Geheimdienst-Überwachung auf den Grund zu gehen. Sie wollen dazu Snowden als Zeugen nach Deutschland holen. Auch ein Bündnis mehrerer Organisationen verlangte Schutz für Snowden in Deutschland. Das Netzwerk beklagte, die Bundesregierung liefere in der Frage bislang ein "erbärmliches Schauspiel".
Union und SPD hatten die Option eines Untersuchungsausschusses nicht ausgeschlossen. Eine Aussage Snowdens in Deutschland sieht die amtierende Regierung aber skeptisch. Merkel äußerte sich dazu im Bundestag zunächst nicht.
Die Linke forderte ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern wie Snowden und legte dafür Eckpunkte vor. Demnach sollen unter anderem Arbeitnehmer, die auf Missstände in ihren Unternehmen oder Institutionen hinweisen, vor arbeitsrechtlicher oder strafrechtlicher Verfolgung geschützt werden.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar verlangte eine bessere Kontrolle der Nachrichtendienste in Deutschland. Bislang gebe es hier "gravierende Defizite" und "erhebliche kontrollfreie Räume", warnte der oberste Datenschützer in einem Bericht an den Bundestag.
Deutsche Geheimdienstler und Regierungsvertreter verhandeln derzeit mit den USA über ein Anti-Spionage-Abkommen. Der Nutzen einer solchen Vereinbarung ist umstritten. Fraglich ist, wie weit die Zusagen gehen werden und ob sich die Amerikaner strikt daran halten.
Auch Schaar äußerte sich skeptisch zu dem geplanten Abkommen. Es erscheine zweifelhaft, ob dies überhaupt zustande komme. Er mahnte, unzureichend wäre auch, wenn es nur ein Geheimabkommen zwischen Nachrichtendiensten sei, das die Bürger nicht vor Ausspähung schütze.