Merkel erntet Lob für ihre Papst-Kritik
BERLIN, ROM - Bundeskanzlerin Angela Merkel erntet Lob für ihre deutliche Kritik am Papst. Der Zentralrat der Juden zollte der Kanzlerin "Hochachtung und Anerkennung". Derweil fordert der Berliner Erzbischof, die Rehabilitierung des Holocaust-Leugners Williamson zurückzuenhmen.
Die Kritik an Papst Benedikt XVI. in der Holocaust-Debatte reißt nicht ab. Vertreter der katholischen Kirche wie des Judentums in Deutschland forderten das Kirchenoberhaupt auf, die Rehabilitierung des britischen Holocaust-Leugners Bischof Richard Williamson zurückzunehmen. «Das muss in Ordnung gebracht werden», sagte der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky der «Bild»-Zeitung. Den Holocaust zu leugnen, sei ungeheuerlich und eine große Belastung für die Beziehungen zum Judentum, sagte der Kardinal. «Die Exkommunikation von Williamson aufzuheben, ist ein Vorgang, den ich nicht für richtig halte.» Das Mindeste sei jetzt eine Überprüfung dieser Entscheidung.
Auch der Tübinger Theologe Hans Küng empfahl Benedikt XVI., die Rehabilitierung der insgesamt vier judenfeindlichen Bischöfe der ultrakonservativen Pius-Bruderschaft rückgängig zu machen. «Irrtümer müssen einfach berichtigt werden», sagte Küng im ZDF-«heute journal». Die vier Bischöfe leugneten nicht nur den Holocaust, sondern grundsätzliche Konzilsbeschlüsse zum Dialog mit anderen christlichen Kirchen und Religionen. Küng äußerte allerdings die Sorge, dass der Papst seinen Fehler nicht korrigieren werde. In der «Financial Times Deutschland» begrüßte Küng die Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie hatte vom Papst eine Klarstellung gefordert, dass es im Zusammenhang mit dem Holocaust «keine Leugnung geben kann» und es «natürlich einen positiven Umgang mit dem Judentum insgesamt» geben müsse. Eine solche Klarstellung sei aus ihrer Sicht «noch nicht ausreichend erfolgt».
Lob für Merkel
«Es ist sehr gut, wenn sich die Bundeskanzlerin in der Frage äußert», sagte Küng der «FTD ». «Wenn ein deutscher Papst einen solchen katastrophalen Fehler macht, fällt das auch auf die Deutschen zurück. Vor allem in einer so sensiblen Frage wie zu den Juden.» Auch die «Initiative Kirche von unten» unterstützt Merkels Forderung. «Seit Tagen wartet alle Welt angesichts des Skandals um die Rehabilitierung der rechtsextremen und antisemitischen Piusbruderschaft auf eine unmissverständliche Reaktion des Papstes», erklärte die kirchenkritische Gruppe in Bonn.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte ebenfalls ausdrücklich, dass sich Merkel in die Debatte eingemischt hat. «Hochachtung und Anerkennung für die Bundeskanzlerin, dass sie sich in dieser diffizilen Angelegenheit zu Wort meldet», sagte der Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung». «Das zeigt, welche Umsicht und welches Verantwortungsgefühl sie hat», fügte Kramer an.
Eine Klärung fordere auch der Zentralrat. «Sie ist wichtig nicht nur für die Kirche, sondern auch für die bundesdeutsche Gesellschaft.» Als einzigen Weg aus dieser schweren Krise will der Zentralrat ein Gespräch mit dem Papst führen. «Ich werde meinen Gremien vorschlagen, mit der Bischofskonferenz zusammen ein Gespräch mit dem Papst zu führen. Ich hoffe, dass dieses Signal gehört wird», sagte Kramer. Es könne nicht im Interesse des Zentralrates sein, den Vatikan und die Kirche zu schwächen. «Gerade in der heutigen Zeit brauchen wir eine starke Kirche. Die Religionsgemeinschaften haben eine große Verantwortung.»
In Gemeinden wächst der Unmut
Der Vatikan hatte zuvor Merkels Kritik zurückgewiesen: Die Verurteilung von Aussagen, die den Holocaust leugnen, hätte nicht klarer sein können, sagte ein Vatikansprecher. Indes räumte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper in einem Interview von Radio Vatikan ein, dass «mit Sicherheit Fehler im Management der Kurie gemacht worden» seien. Die Kritik an der Entscheidung des Papstes nimmt auch in der katholischen Kirche weiter zu. In seiner Gemeinde herrsche viel Unmut über das Vorgehen des Vatikans, sagte der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode dem Sender NDR info.
Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans-Joachim Meyer, sagte der in Chemnitz erscheinenden «Freien Presse», die jahrzehntelangen Bemühungen um eine Annäherung an die Juden hätten durch die Rehabilitierung Schaden genommen. Er hoffe, dass Entscheidungsvorgänge im Vatikan künftig «nach einer gründlichen Prüfung und in kollegialer Abstimmung getroffen werden». (nz/dpa/AP)